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Bad Waldsee - Josef Glaser

„Meine letzte Stunde hat geschlagen.“

Vor achtzig Jahren wurde der Waldseer Polizist Josef Glaser hingerichtet.

 

Vor achtzig Jahren, am 17. Februar 1944, wurde um 7:30 Uhr der Polizist Josef Glaser in Warschau wegen „Wehrkraftzersetzung“ hingerichtet. Mit seiner Frau Margaretha, deren Tochter Lisel und dessen Sohn Dieter hatte er in Waldsee gelebt und als Polizist gearbeitet.

Josef Glaser war 1899 im oberschwäbischen Dorf Ingerkingen geboren worden, sein Vater war Landwirt und „Polizeidiener“. Im Ersten Weltkrieg wurde er eingezogen und musste im Jahr 1918 noch an die Front. Nach dem Krieg begann er seine Ausbildung bei der württembergischen Polizei in Böblingen und war an verschiedenen Orten eingesetzt, in Stuttgart, Göppingen, Lorch, Tübingen und  Marbach, schließlich 1939 im Polizeirevier in Waldsee. Nachdem die deutsche Wehrmacht 1940 Frankreich erobert hatte, wurde Josef Glaser im August 1940 ins Elsass versetzt. Gegen seinen Willen musste er im Juni 1941 seinen Dienst im ebenfalls von der Wehrmacht eroberten Polen antreten, und zwar im Gendarmerieposten der Kleinstadt Glowno nordöstlich von Łòdź. Nachdem er alle Prüfungen und Lehrgänge mit Erfolg absolviert hatte, hatte er schließlich den Rang eines „Bezirks-Leutnants der Gendarmerie“ erreicht. Am 1.4.1933 war er in die NSDAP eingetreten.

Er hatte 1928 Margaretha Wahl, geborene Göggelmann, geheiratet. Sie stammte aus Urspring auf der Schwäbischen Alb und war schon im Ersten Weltkrieg Witwe geworden. Ihre einzige Tochter Lisel war bereits 1913 geboren worden, das heißt, dass Josef Glaser eine Kriegerwitwe mit einer 15jährigen Tochter heiratete. Mitte der dreißiger Jahre bekam diese ihr erstes Kind, den Buben Dieter. Die Familie Josef Glasers bestand 1943 aus dem 44jährigen Josef Glaser, seiner 50jährigen Frau Margaretha, seiner 30jährigen Stieftochter Lisel und deren dreijährigem Sohn Dieter(le).

Im Nachlass von Margaretha Glaser befand sich ein Ledermäppchen mit bemerkenswerten Schriftstücken, die sie nie aus der Hand gab. Daraus lassen sich die letzten Monate im Leben ihres Mannes rekonstruieren. Er wurde im Dienst am 5.3.1943 verhaftet und im Polizeigefängnis in Warschau festgehalten. Von da an schrieb er regelmäßig seinem „Gretle“, seiner „Lisel“ und seinem „Dieterle“ und hielt diese über sein Verfahren auf dem Laufenden, beteuerte ihnen aber vor allem seine innige Zuneigung. Nachdem er monatelang hoffte, dass sich der Vorwurf gegen ihn wegen seiner untadeligen Haltung gegenüber seinem Vaterland und der Partei entkräften lasse, wurde er am 10.6.1943 wegen „Wehrkraftzersetzung“ zum Tode verurteilt.

Sowohl er als auch sein Gretle wandten sich an Hitler mit Gnadengesuchen. Am 18.  Februar 1944 erhielt Margaretha Glaser direkt von der „Kanzlei des Führers der NSDAP“ die Mitteilung, der „Führer (habe) keine Veranlassung gefunden, Ihren Ehemann zu begnadigen.“ In den Akten findet sich die Abschrift eines Schreibens Hitlers mit den Sätzen: „Ich bestätige das Feldurteil des SS- und Polizeigerichts Krakau VI vom 10. Juni 1943 gegen Josef Glaser. Einen Gnadenerweis lehne ich ab. Der Gerechtigkeit ist freier Lauf zu lassen. gez. Adolf Hitler“.

In den Personalakten des Polizisten Josef Glaser im Staatsarchiv Sigmaringen ist zu lesen, worin seine „Wehrkraftzersetzung“ bestanden habe: „Als Polizeioffizier in Krakau (habe) er beim Erteilen von Unterricht anstelle einer positiven nationalsozialistischen Schulung sich abfällig über die politische Führung ausgelassen und den siegreichen Ausgang des Krieges angezweifelt“.

Der bewegendste Brief Glasers an seine Lieben in Waldsee ist sein Abschiedsbrief, den er in der Nacht vor seiner Hinrichtung verfasste. Er beginnt mit dem Satz „Meine letzte Stunde hat geschlagen.“ Auf vier eng beschriebenen Seiten schilderte er seine Situation und tröstete seine Hinterbleibenden: „meine letzten Gedanken gelten Dir, Weib; meine Bitte zum Herrgott ist, er möge Euch beistehen bis zu Eurem Lebensende. Ihr, meine Liebsten.“

Am 17.2.1944 wurde er morgens um 7:30 erschossen. Sein Leichnam wurde auf dem Evangelisch-Augsburgischen Friedhof in Warschau bestattet.

Seine Frau Grete in Waldsee war damit zum zweiten Mal Witwe geworden, inzwischen 51jährig. Erst nach dem Krieg konnte sie durchsetzen, dass sie ein Anrecht auf Witwenbezüge aus der Stellung ihres zu Unrecht ermordeten Mannes erhielt und so lebte Margaretha Glaser noch einmal ein halbes Jahrhundert lang und starb erst im Jahr 1999 mit 106 Jahren als älteste Ulmerin. In ihrem Nachlass fanden sich die Briefe Josef Glasers.

Oswald Burger

Hier der Artikel in der Schwäbischen Zeitung vom 16.02.2024

 

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