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Die Staatliche Heilanstalt Zwiefalten als "Zwischenanstalt" für den Krankenmord im Jahr 1940

Zwiefalten

Am 2. April 1940 fuhr ein grauer Bus mit psychisch Kranken von der Staatlichen Heilanstalt Zwiefalten zum nur eine halbe Stunde entfernten Schloss Grafeneck auf der Schwäbischen Alb bei Münsingen. Die Patienten und Patientinnen erwartete dort der Tod. Bis zum 9. Dezember desselben Jahres folgten 21 weitere Transporte mit insgesamt mehr als 1.000 Patienten, die alle in der eigens hierfür errichteten Gaskammer ermordet wurden.

Aufgrund ihrer räumlichen Nähe zur Vernichtungsstätte Grafeneck spielte die Heilanstalt Zwiefalten eine Schlüsselrolle für die nationalsozialistischen „Euthanasie“-Verbrechen im deutschen Südwesten. Das ehemalige Benediktinerkloster diente Patienten und Heimbewohnern aufgelöster staatlicher, kirchlicher oder privater Einrichtungen als „Zwischenanstalt“ auf ihrem Weg nach Grafeneck. Die Opfer des staatlich organisierten Krankenmords in Grafeneck – unter ihnen waren auch Kinder – stammten aus den Einrichtungen Zwiefalten, Rastatt, Bedburg-Hau, Konstanz, Liebenau, Günzburg, Heggbach, Herten, Mariaberg, Rabenhof, Kork, Stetten, Sinsheim, Wiesloch, Kaufbeuren und Weinsberg.

Nach der Beendigung der „zentralen Euthanasie“ im Dezember 1940 wurde die „dezentrale Euthanasie“ auch in Zwiefalten an einzelnen Patienten weitergeführt. Die Umwidmung der Heilanstalt in eine Pflegeanstalt mit besonders schweren Pflegefällen und eine gezielt herbeigeführte Überbelegung führten ab 1941 dazu, dass die Sterberate kontinuierlich anstieg. Hinzu kamen die katastrophalen kriegsbedingten Zustände. Allein im letzten Kriegsjahr 1945 verzeichnete die Anstalt bei einer Belegung mit mehr als 1.100 Patienten 571 Todesfälle.

Eine öffentliche Erinnerungskultur in Hinblick auf die „Euthanasie“ in Zwiefalten wird erst seit den achtziger Jahren des 20. Jahrhunderts gepflegt. Noch 1983 hatte das Sozialministerium in Stuttgart den Direktionen der Psychiatrischen Landeskrankenhäuser davon abgeraten, Gedenkstätten zu errichten. So war es dann dem Engagement einzelner Mitarbeiter sowie dem Personalrat zu verdanken, dass am Gründonnerstag des Jahres 1987 der Gedenkstein an die Erinnerung der Opfer des Nationalsozialismus auf dem damaligen Krankenhausfriedhof feierlich eingeweiht werden konnte.

Seit 1997 begeht die Klinik zusammen mit der Gemeinde Zwiefalten sowie den beiden Kirchengemeinden des Ortes am 27. Januar alljährlich den „Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus“. Dieser zentrale Gedenktag, der in Zwiefalten den ermordeten Patienten gewidmet ist, wird zudem von Schülerprojekten in der Münsterschule begleitet, die im Rahmen dieser Veranstaltung vorgestellt werden.

Text: B. Reichelt

 

Literatur: Pretsch, Hermann J. (Hg.): Euthansie. Krankenmorde in Südwestdeutschland. Zwiefalten 1996

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