Denkstaettenkuratorium NS Dokumentation Oberschwaben
wechseln zu
Campus Weiße Rose

Oberschwaben - Spuren der Todesmärsche

Spuren der Todesmärsche in Oberschwaben

 

Aufsatz über Jean-Pierre Hippert und den Untersturmführer Eugen Wurth

 

Auch die Schwäbische Zeitung berichtete über die Todesmärsche. Den Artikel finden Sie hier.

 

Situation in Oberschwaben im April 1945.

Im April 1945 waren die Wege und Dörfer in Oberschwaben überfüllt mit Menschen auf der Flucht: Zivilpersonen, Ausgebombte, Schüler- und Ausbildungsgruppen aus NS-Einrichtungen, Teile der Wlassow-Armee1, entflohene Fremd- und Zwangsarbeiter, Strafgefangene aus beweglichen Wehrmachtsgefängnissen,2 Männer der Organisation Todt 3, Angehörige und Funktionäre der NSDAP, sowie  Einheiten der Wehrmacht und SS-Truppen, die auf dem Rückzug andere Gruppen rücksichtlos auf Nebenwege abdrängten.-Alle suchten dringend Verpflegung und wenigstens vorübergehend Unterkunft. Für die Einheimischen verschärfte sich die ohnehin knappe Versorgungslage immer mehr. Nach dem 18. April kamen die Häftlingsgruppen hinzu, die auf den Todesmarsch gezwungen worden waren.

 

Die Todesmärsche

Ursache. Das Vorrücken der Alliierten löste im Frühjahr 1945 die Räumung der rechtsrhein-ischen Außenlager des Konzentrationslagers Natzweiler aus. Dazu gehörten die Lager des Unternehmens „Wüste“. Die deutsche Treibstoffversorgung war 1943 durch den Kriegsver-lauf eine ernste Krise geraten. Deshalb sollten im Ölschiefergebiet zwischen Hechingen und Rottweil zehn Anlagen zur Ölgewinnung entstehen. Mit der Absicht möglichst billige Arbeits-kräfte einsetzen, wurden 1943 / 1944 in dieser Region sieben Konzentrationslager errichtet: Schömberg (800 Häftlinge), Schörzingen (1070), Bisingen (1 500), Dautmergen (2842), Frommern (120), Erzingen (250), Dormettingen (150-200). Die Häftlinge stammten aus den von der Wehrmacht besetzten Ländern Europas. Mehr als 70% waren politische Häftlinge aus dem aktiven Widerstand. Es waren aber auch alle anderen Opfergruppen vertreten, sowie russische Kriegsgefangene.

Ziele der „Evakuierung. Laut Heinrich Himmler sollte „kein Häftling in Feindeshand fallen“.4 Die Häftlinge sollten in noch nicht besetzte Konzentrationslager (u.a. Dachau), beziehungsweise zur fiktive „Alpenfestung“ werden. 5 Einige Kolonnen erreichten nach 10 Tagen die Gegend von Garmisch, Mittenwald und Scharnitz.6

Beginn. Nicht mehr gehfähige Häftlinge wurden bereits im März per Bahn nach Dachau (Allach), Vaihingen und Bergen-Belsen transportiert. Am 17. und 18. April 1945 begann für die anderen Häftlinge der „Marsch“. Ausgangspunkt waren Schörzingen, Schömberg und Dautmergen. Eine Kolonne umfasste 100 Mann, mit 20 - 40 Wachmännern, begleitet von Hunden.7

Zusammenstellung der Häftlingskolonnen. Den Häftlingen aus Schörzingen, Schömberg und Dautmergen wurden weitere Gefangene  aus Bisingen und  Frommern zugeordnet, aber auch aus Lagern, die nicht zum Unternehmen „Wüste“ gehörten, wie aus den Konzentrationslagern Spaichingen und Hailfingen und dem Arbeitsziehungslager Aistaig. Dr. Christine Glauning: Von Spaichingen, - Schörzingen und / oder Dautmergen traten Bisinger Häftlinge gemeinsam mit den dortigen Lagerinsassen den Marsch in Richtung Südosten an, weshalb die Räumung des KZ Bisingen nicht isoliert von der Auflösung der anderen Wüste-„Wüste“-Lager und dem KZ Spaichingen betrachtet werden kann. Obwohl es den Anschein hat, dass ein Großteil der Häftlinge in Schömberg-Dautmergen zentral gesammelt wurde, kann man nicht von einer einzigen großen Kolonne ausgehen, die bis zur Befreiung zusammenblieb, sondern von mehreren, teilweise weit versprengten Gruppen, deren genaue Wege nur annähernd rekonstruiert werden können.8 - Christine  Glauning:  Teilweise begegneten sich die einzelnen Häftlingsgruppen unterwegs. So berichten Überlebende, die von Frommern aus losmarschieren mussten, dass sie unterwegs in eine größere Kolonne von Häftlingen aus Dautmergen und anderen Lagern eingegliedert wurden.9

Das Arbeitserziehungslager (AEL) in Aistaig bei Oberndorf, von Gestapo und SS als Straflager benutzt, wurde Mitte April geräumt. Die Wachmannschaften trieben 130 (200?) Männer über Balingen nach Dautmergen. Von dort wurden sie mit den KZ-Häftlingen von Dautmergen und Schömberg gemeinsam auf den Todesmarsch geschickt.10

 

Irrwege und Probleme. Den Wachmannschaften fehlten Karten über den Verlauf der geplanten Strecken. Sie kamen mit den Kolonnen unterschiedlich schnell voran, denn die Straßen waren blockiert von Luftangriffe erzwangen das Marschieren überwiegend bei Nacht.- Verpflegung musste unterwegs „organisiert“ werden. Die Häftlinge waren unzureichend bekleidet, viele hatten nur Holzpantinen oder gar kein Schuhe. Es war kalt, schneite und regnete viel. Häftlinge starben an Entkräftung. Der Befehl lautete: „Wer nicht mehr kann, soll erschossen werden“. Der Tod von 96 Häftlinge ist auf den über 300 km nachgewiesen.11

 

Karte

 

Wie die Karte zeigt, kamen die Häftlingskolonnen durch viele Orte in Oberschwaben. Wir greifen einige markante heraus. Es sind Orte, in denen die Bevölkerung den Häftlingen Hilfe gewährten und Orte, in denen sich Morde an Häftlingen nachweisen lassen.    

 

Dorfbewohner verstecken KZ – Häftlinge

 

Ratzenreute. In der Nähe von Aulendorf gelang Hans Günther Bonn (KZ Spaichingen) die Flucht. Er fand Unterschlupf bei Julius Haag, in Ratzenreute, einem kleinen Dorf zwischen Ostrach und Altshausen. Der Landwirt riskierte sein eignes sowie das Leben seiner ganzen Familie und versteckte den bis zum Skelett abgemagerten jungen Mann in einer Zwischendecke seiner kleinen Schmiede.“ 12

Hier finden Sie einen ausführlichen Artikel dazu

 

Ehrensberg bei Haisterkirch. „Drei Tage lang drängten sich die Kolonnen der fliehenden Schwarzwaldarmee über die Straßen des Oberlands und auch durch Haisterkirch nach Osten. Unter diesen Kolonnen befand sich auch ein Trupp KZ-Häftlinge. Einige brachen am Haisterkircher Berg zusammen, zwei wurden erschossen. Ein ungarischer Weinkaufmann konnte fliehen und wurde von einer Familie in Ehrensberg (kleiner Weiler bei Haisterkirch) versteckt. Zum Dank dafür sandte er nach dem Krieg an diese Familie jedes Jahr zu Weihnachten eine Kiste Wein.“ 13

Waldsee. Zusammen mit anderen Kameraden setzte sich Paul Dupont bei Waldsee ab, nachdem Marschführer Seith ihnen nochmals dazu geraten habe, um ihr Leben zur retten. „Ich wurde sodann von einer Frau Braun in Waldsee/Württemberg aufgenommen, die mich versteckte und verpflegte.14

 

Haisterkirch. Helga Heinzelmann, geboren 1932, geborenen Gregg, erinnert sich: „Im April 1945 sah ich, wie Häftlingsgruppen auf der Straße nach Haidgau den Berg hinauf getrieben wurden. Die Männer waren in sehr schlechtem Zustand. Die Wachmänner gingen grob mit ihnen um. Am nächsten Morgen klopfte es an unser Küchenfenster. Meine Mutter und das Russenmädchen Maria waren in der Küche. Vor dem Fenster entdeckte meine Mutter einen Mann, der ein „Zigarettenstummele“ in der Hand hielt und damit Zeichen machte. Es sah aus, als wolle er Feuer. Meine Mutter bat Maria hinauszugehen und nach dem Mann zu schauen. Maria brachte den Fremden herein und führte ihn an den offenen Kamin in der Küche. Er konnte kaum noch gehen, taumelte, war bis aufs Skelett abgemagert. Er zog die gestreifte Hose hoch, und deutete auf die vielen Wunden, mit denen die Beine übersät waren. Meine Mutter vermutete, dass diese Verletzungen von unzähligen Schlagen verursacht waren. Sie sagte sofort: „Den Mann können wir nicht wegschicken, der ist ja schon ganz schwarz im Gesicht. Der stirbt ja. Der überlebt den Tag nicht! Gemeinsam mit Maria brachte sie ihn zum „Strohschopf“, einem Schuppen, der ein Stück vom Haus entfernt war. Sie betteten ihn zwischen „Garben“, versorgten ihn mit Decken Und Nahrung. In der folgenden Zeit gingen die beiden nur nachts zu ihm, damit kein Verdacht aufkam. Frau Gregg, versteckt und pflegt den KZ-Häftling bis die französischen Truppen Haisterkirch erreichen. Die französischen Soldaten bringen ihn ins Krankenhaus nach Waldsee. Dort wird er gesund gepflegt. Seine Nationalität ist Frau Gregg unklar. Maria, das russische Mädchen, kann sich aber mit ihm verständigen. Er wird von den französischen Behörden dem ersten Transport zugeteilt, den sie für „Displaced Persons“ nach Jugoslawien organisieren. Damit verliert sich seine Spur. 15

 

Ziegelbach. In den Tagen vor dem 27. April trieben Wachmannschaften mehrere Hundert Häftlinge durch die Gegend von Wurzach / Ziegelbach. Die Häftlinge stammten aus dem KZ Schömberg bei Balingen (Außenlager des KZ Natzweiler). Die Gefangenen waren verhaftet worden wegen ihrer Tätigkeit im Widerstand in Frankreich, Luxemburg und Belgien. Es waren auch Polen darunter. Sie waren nach dem Aufstand der „ polnischen Heimatarmee“ verhaftet worden, der im August 1944 in Warschau stattfand. Nicht nur die Aufständischen, sondern die Einwohner ganzer Stadtteile wurden deportiert. In Auschwitz erfolgte die Selektion von die Frauen und Kinder. Wo es möglich war, gaben die Väter an, ihre Söhne seien schon 16, um sie vor der Gaskammer zu retten. So kam es, dass die jüngsten Häftlinge in den Lagern Dautmergen und Schömberg in Wahrheit 13 und 14 Jahre alt waren. Für zwei von ihnen, Henrick und Jerzy Sztanka, endete der Todesmarsch erst in Garmisch.

„An der Kreuzung vor Wurzach, dort wo die Straße von Ziegelbach einmündet, am Schwarzen Kreuz, flüchten Teile der Wachmannschaften vor den französischen Truppen. Viele Häftlinge kommen dadurch frei. Sie verstecken sich im Wurzacher Ried und in den Weilern und Dörfern entlang der Bahnlinie. Einige bitten in Ziegelbach um Hilfe. Die Familien Knecht, Musch, Ludescher und Utz sind bereit dazu. Sie verbergen und verpflegen die KZ-Häftlinge, obwohl die Einheiten der Waffen-SS bei Ziegelbach in diesen Tagen zwei neue Verteidigungslinien gegen die französischen Truppen aufbauen und ihre Leute zwangsweise in den Häusern von Ziegelbach einquartieren. In der Bäckerei Knecht sind die Umstände besonders dramatisch. Die SS hat im Wohnzimmer der Knechts die Befehlszentrale eingerichtet, weil die Bäckerei als einziges Haus über ein Telefon verfügt. Zur gleichen Zeit versteckt Berta Gotsch, die Tochter der Knechts, 7 KZ-Häftlinge unter dem Dach, auf dem Heustock. Am 27. April 1945 greifen französische Truppen den Ort Ziegelbach an. Panzer eröffnen das Feuer mit Phosphorgranaten. Wohn- und Ökonomiegebäude stehen in Flammen, 120 Rinder, 18 Pferde und weitere Tiere verbrennen. Das Dach der Familie Knecht wird vom Feuersturm erfasst. Die KZ-Häftlinge verlassen das Versteck und helfen beim Löschen. Einer von ihnen, ein Belgier, ist Zimmermann. Er schlägt die brennenden Dachlatten nach außen. Die SS bestreicht währenddessen das Dach mit Maschinengewehren. Der Belgier entgeht nur knapp den Kugeln. Nur das Beil wird getroffen. Die Situation wird immer auswegloser. Der Luxemburger Jean-Pierre Polfer schlägt ihm vor, die Häftlingsanzüge anzuziehen und den Franzosen entgegen zu gehen, um eine Feuereinstellung zu erreichen. Tatsächlich bricht der französische Befehlshaber den Angriff schließlich ab. Die KZ Kleidung der beiden Bittsteller, ihr fließendes Französisch und die Tatsache, dass einige Ziegelbacher Familien KZ-Häftlinge vor der SS versteckt hatten, überzeugen ihn. Er stellt nur eine Bedingung: Auf dem Kirchturm müsse eine weiße Fahne gehisst werden. Jean-Pierre Polfer verständigt Berta Gotsch. Sie holt bei Herrn Pfarrer Baumann den Kirchturmschlüssel. Obwohl sich der der Turm unter Dauerbeschuss durch die SS Einheiten befindet, steigen Berta Gotsch und die Pfarrhaushälterin Auguste Strobel hinauf und hissen ein Betttuch als weiße Fahne.“ 16

 

Krattenberg, Hof der Familie Reisch / Nähe Frauenlob / Baierz. Anton Reisch, geboren 1930, berichtet seinem Freund Karl Richard Waizenegger: Einige Tage vor der Ankunft der Franzosen, etwa um den Monatswechsel April / Mai 1945, wurde unsere Familie durch lautes Klopfen an der Haustüre geweckt. Als die Mutter (sie war damals schon Witwe) aus dem Schlafzimmerfenster nachschaute, erblickte sie eine Gruppe SS-Männer, etwa 11 Männer und eine Frau. Als meine Mutter zögerte zu öffnen, drohten dieselben, das Haus anzuzünden, falls sie nicht sofort aufmache. Darauf weckte mich meine Mutter. Ich war damals 14 Jahre alt. Ich öffnete die Haustüre und ließ die SS-Leute herein. Nachdem dieselben das Wohnhaus Zimmer für Zimmer mit Taschenlampen durchsucht hatten, legten sie sich in der Wohnstube auf den mitgebrachten Teppichen zum Schlafen. Der Grund für das Zögern meiner Mutter, die SS einzulassen, war folgender:

Seit Tagen hatte sie drei entflohenen KZ-Häftlingen Unterschlupf gewährt und befürchtete deren Entdeckung. Die KZ-Häftlinge hielten sich jedoch nicht in der Wohnung auf, sondern schliefen auf der Heu-Bühne, somit wurden sie nicht bemerkt. Aus großer Angst und Sorge blieben wir schlaflos. Morgens um 4.00 Uhr entschloss ich mich, die Häftlinge heimlich zu wecken und zu warnen. Somit konnten diese unentdeckt in den Wald fliehen. Vermutlich waren diese Häftlinge aus vorbeiziehenden Kolonnen entflohen. Einer der Häftlinge hatte uns, so lange er da war, bei der Stallarbeit geholfen.“ 17

 

 

Morde

An der Straße von Altshausen nach Ebersbach. Ein Bauer beobachtet, wie ein KZ- Häftling hinter einen Holzstapel am Wegrand geschleppt wird. Ein SS Mann erschießt ihn  und lässt die Leiche vor Ort verscharren. Zwei weitere tote Häftlingen werden bei km 5 und 6 östlich Altshausen zurückgelassen. Im Februar 1947 veranlassen die Franzosen die Bergung und Beisetzung aller drei Opfer auf dem Friedhof Altshausen.- In einem Schützenloch, 300 Meter östlich vom Ortsrand Ebersbach, wird bereits 1945 der Körper eines KZ-Häftling entdeckt, aber nicht geborgen. Auf Befehl der Besatzungsbehörden erfolgt die Exhumierung und Beisetzung im März 1946 in Ebersbach.18

 

Aulendorf. Etwa zwei Stunden nach dem Durchzug eines Transports von KZ-Häftlingen werden östlich vom Ortausgang an der Landstraße 6 Leichen von KZ Gefangenen gefunden. Sie liegen im Abstand von 100 bis 1000 Metern. Aussage von Augenzeugen: Die Männer stürzen in Folge von Entkräftung zu Boden, bleiben liegen und werden von Wachmännern  durch Genickschuss getötet.19

 

Waldsee / Unterurbach. Bahnunterführung bei Unterurbach: Am Montag 23. April schießen deutsche Offiziere auf zwei KZ-Häftlinge. Einer der Häftlinge ist sofort tot, der andere bleibt schwer verletzt liegen. Ein Mitglied des Werwolfs ermordet ihn kurz darauf. Unterurbacher Bürgern begraben die Leichen an Ort und Stelle. 1948 werden die Toten exhumiert und nach Frankreich überführt.20  Es handelt sich um Auguste Bonal und Lucien Monjoin. (Ihr Schicksal schildern wir in dem beigefügtem Bericht) 20

 

Haisterkirch. An der Straße nach Haidgau, ganz nahe der Kuppe, bei Kilometersten 1,4   erschießen Wachmänner zwei KZ-Häftlinge. Am 2. Juni werden die Toten geborgen und auf dem Friedhof Haisterkirch beerdigt. Pfarrer Mattes zelebriert eine Totenmesse. 68 Jahre später kann ihre Identität ermittelt werden: Karl Panhans (Sudentenland) und Julius Spiegel (Schuhmacher aus dem Burgenland).21

 

Baierz. Anfang Mai findet Theo Kibler (15 J.) im Waldgebiet Quelle, 25 m vom Staßenrand entfernt, die Leiche eines KZ-Häftlings (Genickschuss). Der Tote wurde auf dem Friedhof in Hauerz beigesetzt.22

 

Treherz. Am frühen Vormittag des 23. April zog eine Kolonne mit 80 – 100 KZ-Häftlingen durch Treherz. Der Gefreite Ernst Haupt, von der in Treherz stationierten 3. Ausbildungskompanie, erschoss zwei Tage darauf in „Greggs Hölzle“ einen flüchtigen KZ- Häftling. Karl Friedrich Waizenegger (geb. 1930) hörte im Gasthaus seiner Eltern von einem Leichenfund an diesem Ort. Eine Hand habe aus der Erde geragt. Er suchte an dieser Stelle und fand eine leere Grube von ca. 50 cm Tiefe. Die Leiche war schon geborgen und im Spritzenhaus in Treherz aufgebahrt worden.23

 

Anmerkungen zu den „Spuren der Todesmärsche in Oberschwaben“

1)Die Wlassow-Armee (ROA): Sie war ein russischer Freiwilligenverband, der ab Ende 1944 auf deutscher Seite kämpfte. Er verstand sich als Russische Befreiungsarmee und wurde nach ihrem Kommandeur Generalleutnant Andrei Wlassow genannt. Andrei Wlassow wollte alle Russen im Kampf gegen die Sowjetunion vereinen. Unter den Freiwilligen waren Kriegsgefangene, Zwangsarbeiter und russische Emigranten. Die ROA erhielt den Status der Armee eines verbündeten Staates und war der Wehrmacht unterstellt. Sie war ab dem 10. Februar 1945 auf dem Truppenübungsplatz Münsingen stationiert. Mitte April flohen die Einheiten vor den heranrückenden Alliierten.- Nach Kriegsende wurden die Angehörigen der ROA wie auch andere frühere Sowjetbürger an die Sowjetunion übergeben (Vereinbarungen von Jalta). In Moskau wurden Wlassow und neun seiner Generäle am 1. August 1946 nach einem kurzen Prozess hingerichtet. Andere Angehörige der ROA, wurden in Gulag – Lager deportiert. Alle anderen Soldaten wurden für sechs Jahre in die Verbannung geschickt. Terry Martin: Terror gegen Nationen in der Sowjetunion.

2) Bewegliche Wehrmachtsgefängnisse: Ab 1936 wurden im Deutschen Reich Militärgefängnisse errichtet, die während des Zweiten Weltkrieges noch durch "Kriegswehrmachtgefängnisse" in besetzten Gebieten ergänzt wurden. Ab 1942 wurden Teile des Gefängnissystems ausgegliedert und in beweglichen "Frontgefängnissen" organisiert, die als Strafeinheiten in Bataillonsstärke zu gefahrvollen Arbeiten in Kampfzonen herangezogen wurden. Peter Kalmbach: Wehrmachtjustiz, Metropol-Verlag, Berlin 2012.

3) Organisation Todt (OT): 1938 wurde Fritz Todt (Leiter des Reichsautobahnbaus) mit der zügigen Verwirklichung des Westwalls beauftragt. (Die Wehrmacht hatte zu langsam gearbeitet). Um das Ziel zu erreichen intensivierte Todt die Zusammenarbeit von Bauverwaltungen, privaten Firmen und dem Reichsarbeitsdienst. Nach dem Bau des Westwalls bildete er 1939 die OT in eine militärisch gegliederte Bauorganisation um. Sie war ihm als Reichsminister für Bewaffnung und Munition direkt unterstellt. Die Bauformationen der Wehrmacht wurden in die OT eingegliedert. Die deutschen Arbeiter der OT trugen olivgrüne Uniformen und unterstanden einer quasi-militärischen Dienstpflicht. Er verstärkte die Arbeitseinheiten mit freiwilligen Hilfskräften aus den westeuropäischen Ländern. Ab 1943 mussten auch Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene unter schwersten Bedingungen auf den OT-Baustellen arbeiten. Gegen Ende 1944 verfügte die OT über rund 1.360.000 Arbeitskräfte, von denen nur etwa 60.000 Deutsche waren. Seidler, Franz W. "Die Organisation Todt. Bauen für Staat und Wehrmacht 1938-1945.

4) Dr. Christine Glauning, Entgrenzung und KZ-System, S. 361 und S. 363

5) „Alpenfestung“: Der Gauleiter von Tirol, Franz Hofer, hatte im November 1944 ein Memorandum an Martin Bormann geschickt; er empfahl darin den Bau einer Festung nach Vorbild des Schweizer „Alpenreduits („reduit“: System von Festungsanlagen). Für die deutsche Führung sollte ein Raum für den Endkampf geschaffen werden. Martin Bormann leitete diese Empfehlung aber erst im April 1945 an Adolf Hitler weiter. Daher existierte die „Alpenfestung“ noch gar nicht. Christian Hallig, Festung Alpen – Hitlers letzter Wahn, S. 22 ff.

6) Routen der Häftlingskolonnen: Dr. Christine Glauning schrieb 2006, dass die Wege der Häftlingskolonnen nur annähernd rekonstruiert werden könnten. Durch neue Recherchen seit 2013, dem Vergleich der Aussagen überlebender Häftlinge mit Dokumenten in den Pfarr- und Gemeindeämtern, den Aussagen einheimischer Zeitzeugen und letzten Spuren der Wachleute können die Routen von uns inzwischen genauer nachgewiesen werden. (Gertrud Graf und Eugen Michelberger, Todesmärsche durch Oberschwaben, S. 10 bis 15.

Routen von Schörzingen aus: Der Überlebende Eugène Andres berichtet: Alle setzten sich in Bewegung Richtung Bodensee. (Robert Steegmann, S. 175) In Meßkirch hatte eine Gruppe von dieser Kolonne (…) einen anderen Weg eingeschlagen. Dies waren etwa 200 bis 300 KZ-Häftlinge, die unter SS-Bewachung über Sigmaringen und Lauchertal in Richtung Riedlingen getrieben wurden. Arno Huth, S. 335 Der Rest der Kolonne ging weiter über Wald, Gaisweiler, Owingen, Richtung Bodensee / Überlingen. Zunächst Richtung Überlingen, dann in die umgekehrte Richtung, nach Norden, wo sie in der Nacht zuvor hergekommen sind. Arno Huth, S. 336 Die Gruppe erreichte Ostrach, die Wachmannschaften flohen nach einigen Stunden, viele Häftlinge kamen frei. Ostrach brachte aber noch nicht allen Häftlingen, die Freiheit. Eine Gruppe wurde gezwungen, weiter zu gehen: Von Ostrach ging eine abgeteilte Gruppe mit etwa 100 bis 150 Häftlingen über Hoßkirch Richtung Altshausen. Von dort soll der Weitermarsch nach Aulendorf erfolgt sein. Arno Huth, S. 339

Routen von Schömberg aus: Besonders rigoros trieb die SS die Häftlinge zumindest in einer Kolonne des Lagers Schömberg auf einen Todesmarsch über eine Distanz von über 300 km bis über die deutsch-österreichische Grenze. Arno Huth, S. 336  Nach Aussagen der Überlebenden Auguste Thibault, Michael Ribon, Hendrik und Jerzy Sztanka führte die Route von Schömberg über Deilingen, Beuron, Pfullendorf, Ostrach, Altshausen, Aulendorf, Waldsee, Wurzach, Aitrach, Memmingen, Kempten, Sulzberg, Nesselwang, Pfronten, Weißensee, Füssen, Reutte in Tirol, Plansee, Garmisch, Mittenwald bis Scharnitz.

Routen von Dautmergen aus: Einige überlebende Häftlinge aus Dautmergen erinnern sich, dass sie von Dautmergen über Schömberg, Deilingen, Beuron, Pfullendorf, Ostrach, Althausen bis Aulendorf getrieben wurden. Arno Huth, S. 339 Gruppenteilung bei Meßkirch: eine Gruppe aus dieser Kolonne hat einen anderen Weg eingeschlagen. Dies waren etwa 200 bis 300 Häftlinge, die unter SS-Bewachung über Laucherttal in Richtung Riedlingen getrieben wurden.ebd.339 Zusammenfassend lässt sich sagen: Dautmerger Häftlinge sind bis in die Gegend von Ostrach / Altshausen / Aulendorf / Sigmaringen nachweisbar. Mit „Dautmerger“ sind Häftlinge gemeint, die sich bereits in den Wochen vor dem Abmarsch im Lager Dautmergen befanden. Auf den weiteren Strecken kann die Herkunft aus dem KZ Dautmergen nur noch selten nachgewiesen werden; ein Grund: die Dautmerger waren besonders geschwächt; die Lebenserwartung im KZ Dautmergen betrug nur wenige Wochen.

Die Wege der Bisinger Häftlinge: Christine Glauning dazu: „Weil Dachau bereits überfüllt war, wurden die Gefangenen in das Außenlager Allach weitergeleitet. Ein Teil der Bisinger Häftlinge war wenige Tage vor der Räumung auf Lastwagen in das KZ Spaichingen gebracht worden. Die noch im Lager gebliebenen Insassen mussten nach Schörzingen oder Dautmergen marschieren. Von Spaichingen, Schörzingen oder Dautmergen traten die Bisinger Häftlinge gemeinsam mit den dortigen Häftlingen den Marsch Richtung Südosten an…. Glauning, S. 368 Die Bisinger Überlebenden Wetzel, Wilson, Jurewitsch wurden bis Füssen / Marktoberndorf getrieben (Livre Mémorial).

Wege der Spaichinger Häftlinge: Meir Eldar und Josef Ehrlich bewältigen folgende Strecke: Von Spaichingen, Mühlheim an der Donau, Mengen, Herbertingen, Riedlingen, Ehingen, Erbach, Ulm in einem Bahntransport, danach von dort aus zu Fuß nach Süden: über Vöhringen, Illertissen, Memmingen, Kempten bis Trauchgau. Meir Eldar wurde in Steingaden befreit. Arno Huth, S. 318 Am 26.4.1945 traf die Gruppe bei Durach 200 Häftlinge des Kommandos Kottern (in Kottern bei Kempten war ein Außenlager von Dachau) Arno Huth, S. 315 Beide Transporte marschierten ab sofort zusammen weiter Richtung Pfronten. Am 27.4.1945 flohen die Wachmannschaften in der Gegend von Pfronten. Arno Huth, S. 324 - Heinrich Rotmensch gibt für eine andere Spaichinger Gruppe folgenden Weg an: Spaichingen, Tuttlingen, Messkirch, Aulendorf, Waldsee, Unterschwarzach, Wurzach, Hauerz. Bei der Annäherung des Feindes (Franzosen) löste sich der ganze Zug bei Unterschwarzach – Wurzach - Hauerz auf, da der Transport zum Schluss nicht mehr bewacht wurde und die Begleitmannschaften flüchteten. In Wurzach / Hauerz kamen laut der Aussage von Heinrich Rotmensch von 500 Spaichinger Häftlingen noch 80 bis 100 Mann an. Arno  Huth, S. 321

Wege von Häftlingen aus dem Lager Frommern: Bei einer Vernehmung 1962 nennt der ehemalige Wachmann des KZ Frommern Michael Reibenspies die Stationen der Marschroute, an die er sich noch erinnern kann: Frommern, Schömberg, Messkirch, Kempten, Garmisch-Partenkirchen, Mittenwald, Innsbruck, wobei unterwegs immer wieder Häftlinge geflohen seien und Wachmänner sich abgesetzt hatten. Arno Huth, S. 317. Laut Paul Dupont waren sie beim Abmarsch in Frommern 80 bis 90 Häftlinge und 16-18 Wachmänner. Nach Schömberg nennt er die Orte Messkirch, Aulendorf, Waldsee, was darauf hindeutet, dass er von dort aus in einer anderen Gruppe als Reibenspies war. Paul Dupont konnte bei Waldsee fliehen.ebd. S. 317 Pierre Muller kam in Kempten frei (Livre Mémorial).

7, 8, 9, 10, 11) Dr. Christine Glaunig, Entgrenzung und KZ System, S. 366; Graf/ Michelberger, Todesmarsch 1945 durch Oberschwaben aus den „Wüste“- Lagern und dem Spaichinger KZ Außenlager in Richtung Bodenseevorland und Alpen, S. 10 - 12, 

12) Arno Huth, Todesmärsche erste Fassung, S. 17

13) Georg Zundel, Es muss viel geschehen, Verlag Dr. Michael Engel, Berlin 2006; Todesmarsch 1945 durch Oberschwaben aus den „Wüste“- Lagern und dem Spaichinger KZ Außenlager in Richtung Bodenseevorland und Alpen, Gertrud Graf und Eugen Michelberger, Selbstverlag 2017,  Kapitel Haisterkirch, S. 239 - 253

14) Arno Huth, Das doppelte Ende des „K.L. Natzweiler“ auf beiden Seiten des Rheins,  S. 318, Aussage von Paul Dupont; Amtsblatt der Stadt Bad Waldsee, Nr. 17 vom 8. Mai 2014

15) Todesmarsch 1945 durch Oberschwaben aus den „Wüste“- Lagern und dem Spaichinger KZ Außenlager in Richtung Bodenseevorland und Alpen, Gertrud Graf und Eugen Michelberger, Selbstverlag 2017,  Kapitel Haisterkirch, S. 239 ff

16) Todesmarsch 1945 durch Oberschwaben aus den „Wüste“- Lagern und dem Spaichinger KZ Außenlager in Richtung Bodenseevorland und Alpen, Gertrud Graf und Eugen Michelberger, Selbstverlag 2017,  Kapitel Ziegelbach, S, 259 – 278, Amtsblatt der Stadt Bad Waldsee, Nr. 42 vom 21.11.2013 und Nr. 17 vom 8. Mai 2014

17) Todesmarsch 1945 durch Oberschwaben aus den „Wüste“- Lagern und dem Spaichinger KZ Außenlager in Richtung Bodenseevorland und Alpen, Gertrud Graf und Eugen Michelberger, Selbstverlag, 2017, Kapitel Baierz, Bericht von Anton Reisch, S. 290; Archiv Karl Richard Waizenegger

18) Arno Huth, Das doppelte Ende des „K.L. Natzweiler“ auf beiden Seiten des Rheins, S. 344/ 345

19) Heimatkunde Aulendorf, 7. April 1945, Nr. 79, Das Kriegsende in Aulendorf vor 50 Jahren,

verfasst von  Herbert Hasenmaile

20) Graf Gertrud und Eugen Michelberger, Todesmärsche aus den „Wüste“- Lagern und dem KZ Außenlager Spaichingen in Richtung Bodenseevorland und Alpen, Selbstverlag,  2017, S. 218 und S. 232 , Kapitel Waldsee

21) A Todesmarsch 1945 durch Oberschwaben aus den „Wüste“- Lagern und dem Spaichinger KZ Außenlager in Richtung Bodenseevorland und Alpen, Gertrud Graf und Eugen Michelberger, Selbstverlag, 2017, S. 239 ff, Amtsblatt der Stadt Bad Waldsee, Nr. 17 vom 8. Mai 2014, Bericht zu Haisterkirch

22) Todesmarsch 1945 durch Oberschwaben aus den „Wüste“- Lagern und dem Spaichinger KZ Außenlager in Richtung Bodenseevorland und Alpen, Gertrud Graf und Eugen Michelberger, Selbstverlag, 2017, Kapitel Baierz, Aussage Theo Kibler

23) Kriminalkommissariat Ravensburg, Az.: II/Mi./112/60, Kreisarchiv, Zollern-Alb-Kreis Balingen; Todesmarsch 1945 durch Oberschwaben aus den „Wüste“- Lagern und dem Spaichinger KZ Außenlager in Richtung Bodenseevorland und Alpen, Gertrud Graf und Eugen Michelberger, Selbstverlag, 2017,S. 294, Aussage von Karl Friedrich Waizenegger

 

zurück zur Hauptseite

Download der Gesamtbroschüren

DENKStättenkuratorium
NS-Dokumentation Oberschwaben

Briachstr. 10, 88250 Weingarten

Tel.: 0751/560838-0
Fax: 0751/560838-14
E-Mail: info@dsk-nsdoku-oberschwaben.de
Web: www.dsk-nsdoku-oberschwaben.de