Denkstaettenkuratorium NS Dokumentation Oberschwaben
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Campus Weiße Rose
23.08.2023

Mitteilung Nr. 02-2023 des Denkstättensekretariats

INHALT:

1. Vernetzung des Denkstättenkuratoriums Oberschwaben (DSKOS)

1.1.                 Vernetzung auf Landes- und Bundesebene

1.2.                 Förderung der Gedenkstättenarbeit durch das Land BW: Konsequenzen für das DSKOS

 

2. Netzwerk des DSKOS

2.1.               Materialien

2.1.1.                Broschüre

2.1.2.                Buch „Todesmärsche“

2.1.3.                „Galerie der Aufrechten“

 

2.2.               Neue Forschungen:

2.2.1.                Aufnahme auf Homepage

2.2.2.                Neue Forschungen des DSKOS

 

2.3.                 Neue Denkorte:

2.3.1.                 Projekt „Erinnerungsorte Ehingen“

2.3.2.                 Ehingen

2.3.3.                 Uniklinik Ulm

2.3.4.                 Schelklingen

 

2.4.                Tagungen

2.4.1.                 Symposium des DZOK Ulm zur Vorstellung der neuen Häftlingsdatenbank

2.4.2.                 Tagung „Vernetztes Gedenken – Erinnungsarbeit zwischen Peripherie und Zentrum“

 

3. Bildungsveranstaltungen

3.1.                Rückblick

3.1.1.                 Veranstaltungen am 10. Mai anlässlich des Jahrestags der Bücherverbrennung

3.1.2.                 Gedenktage „Weiße Rose“ in Weingarten

 

3.2.                Ausblick, Planungen

 

3.3.                Veranstaltungskalender

 

Sehr geehrte Mitglieder, sehr geehrte Freundinnen und Freunde unseres Denkstättenkuratoriums Oberschwaben!

wie üblich möchten wir durch einen zweiten Newsletter im Jahr 2023 den Kontakt im Netzwerk des Denkstättenkuratoriums halten, indem wir Sie über neue Sachverhalte und Aktivitäten informieren. Wir wünschen Ihnen eine anregende Lektüre.

 

1. Vernetzung des Denkstättenkuratoriums (DSKOS)

 

1.1. Vernetzung auf Landes- und Bundesebene allgemein:

Auf Bundesebene: Am 11. Juli wurde Thomas Lutz, der Leiter des Gedenkstättenreferats der „Topographie des Terrors“, in Berlin verabschiedet. 1983 hat der das Gedenkstättenreferat gegründet und seither die Arbeit von Gedenkstätten in Deutschland mit Impulsen, Fortbildungsangebote begleitet, koordiniert, bundesweit und international vernetzt. 2022 war er maßgeblich beteiligt an der Gründung des VGDF (Verbands der Gedenkstätten in Deutschland e.V.). Sehr oft war er auch im südlichen Teil von BW unterwegs, hat sich die Probleme die Gedenkstätten angehört, sie beraten und Wege für sie geebnet. - Seine Nachfolgerin ist Dr. Julana Bredtmann.

https://de.wikipedia.org/wiki/Thomas_Lutz

 

Die 11. Bundesweite Gedenkstättenkonferenz findet vom 13. - 15. September 2023 in Sandbostel/Helwege statt mit dem Thema: Renationalisierung der Erinnerungskulturen.- Das DSKOS ist eingeladen, eine:n Delegierte:n zu senden.

 

1.2. Institutionelle Förderung der Gedenkstättenarbeit des DSK-OS durch das Land BW ermöglicht die Intensivierung der Arbeit des DSKOS.

Gertrud Graf hat durch ihren Einsatz für das DSKOS erreicht, dass das DSKOS in Zukunft als Gedenkstättenverbund angesehen wird und deshalb im Rahmen der „Institutionellen Förderung“ jährliche Mittel in Höhe von 25.000 Euro, zur Verfügung gestellt vom Land BW, erhalten kann. Dadurch könnte das DSKOS eine Teilzeitstelle zur Erledigung der im DSKOS anfallenden Arbeiten einrichten, wodurch die Arbeit des DSKOS intensiviert werden könnte. Allerdings bedingt diese Förderung, dass das Denkstättenkuratorium eine eigene juristische Person darstellt. Infolgedessen muss das DSKOS aus der Trägerschaft des Studentenwerks heraustreten und einen eigenen Verein bilden, der allerdings nach wie vor enge Beziehungen zum Studentenwerk Weiße Rose unterhalten kann. Im Moment laufen die Vorbereitungen für die Gründung des selbständigen eingetragenen Vereins „Denkstättenkuratorium NS-Dokumentation Oberschwaben“. Außerdem wurde eine Satzung entworfen. Am 06. September wird die Gründungsversammlung stattfinden. Über alles Weitere werden wir Sie rechtzeitig in einer speziellen Ausgabe der Mitteilungen benachrichtigen. 

 

2. Netzwerk des DSKOS

 

2.1. Materialien

 

2.1.1. Broschüre des Denkstättenkuratoriums „Denkorte an oberschwäbischen Erinnerungswegen“

Einen Schwerpunkt in der Arbeit des DSKOS bildet die Pflege des Netzwerks der Denkorte im Denkstättenkuratorium durch die Unterstützung des Gedenkens an den vorhandenen Denkorten. Dem dient die Verbreitung der Gesamtbroschüre durch die Weitergabe an örtliche Initiativen, Stadtverwaltungen, Büchereien und Schulen als Daueraufgabe.

Bitte melden Sie sich bei Philipp Stäbler, wenn Sie Broschüren brauchen. Sie ist als eine Art „Regionales Geschichtsbuch“ ein vorzügliches Medium, um unser Netzwerk und seine regional bezogene Erinnerungsarbeit vorzustellen.

 

2.1.2. Gertrud Graf und Eugen Michelberger, Todesmärsche im April 1945

Dieses grundlegende Werk über die Todesmärsche aus den „Wüste“-Lagern und dem KZ Spaichingen durch Oberschwaben und das Allgäu bis in die bayrischen Alpen wurde vom DSKOS herausgegeben und von der LpB gefördert. Es berichtet in großer wissenschaftlicher Genauigkeit über die Routen und Opfer der Todesmärsche in Oberschwaben und wird von Archiven, Museen und Interessierten sehr stark nachgefragt. Bestellungen über info@dsk-nsdoku-oberschwaben.de bearbeitet der Geschäftsführer des Studentenwerks Philipp Stäbler.

 

2.1.3. Wanderausstellung „Galerie der Aufrechten“

Ein Bildungsangebot, das wir Gedenkstätten und Museen der Region wie auch bundesweit machen, ist die „Galerie der Aufrechten“, eine Kunstausstellung des Studentenwerks Weiße Rose mit ca. 65 von namhaften Künstlern erstellten Porträts von Widerständlern gegen das NS-System, deren Biographien auf kleinen Tafeln erläutert werden. Die Hälfte der dargestellten Widerständler stammt dabei aus Oberschwaben und dem deutschen Südwesten. Sie werden in acht Gruppen präsentiert - dem christlichen, geistigen, jüdischen Widerstand, dem Widerstand von Arbeitern, Soldaten, Politikern, dem Rettungswiderstand und dem Widerstand der Weißen Rose. Zudem werden Beispiele von Opfergruppen aufgezeigt.

Diese Ausstellung ermöglicht somit die Vermittlung der Vielfalt des Widerstands im Dritten Reich mit den Mitteln der Kunst und in einem biographischen Ansatz. Auf Grund der Vielzahl der Porträts regionaler Widerständler eignet sich die Wanderausstellung besonders für die Präsentation an Orten im oberschwäbischem und südwestdeutschen Raum, z.B. anlässlich von Todestagen von einzelnen Widerständlern.

Wir würden uns freuen, im Kreis der Leser Interessenten an unserer Ausstellung zu finden, die bei Platzmangel durchaus auch – je nach Anlass - in Teilen ausgeliehen und präsentiert werden kann. Gerne unterstützen wir die Präsentation vor Ort durch einen Einführungsvortrag und durch Führungen von Erwachsenengruppen und Schulklassen. Allerdings ist die Ausstellung bis zum Dezember 2024 ausgebucht. Sie ist allerdings in Oberschwaben vom Januar bis August 2024 im Museum Laupheim zu sehen.

 

2. 2. Neue Forschungen

2.2.1. Aufnahme auf Homepage des DSKOS

Das DSKOS arbeitet fortlaufend daran, neue Forschungen innerhalb der Region zu erfassen, damit wir sie unter der Rubrik „Forschungsergebnisse“ auf unserer Homepage (www.dsk-nsdoku-oberschwaben.de) der Öffentlichkeit zugänglich machen können, bis wieder eine Broschüre herausgegeben wird.

So wächst eine Datenbank mit neuen interessanten Berichten heran, die von allen Interessierten, vor allem auch Schulen und Studierenden, genutzt werden kann. Bitte sehen Sie sich mal in dieser Datenbank um und melden sich mit neuen Forschungsergebnissen, damit wir sie in dieser Datenbank aufnehmen können. Sie erreichen Gertrud Graf unter der E-Mail-Adresse: gertrudgraf37@gmail.com.

Der Link „Forschungsergebnisse“ findet zunehmend Beachtung: Im Juli traf ein Brief aus Zürich ein. Eva und Kurt Walser-Bicher (-Scheel) schrieben: „Mit aller größtem Interesse haben meine Frau und ich Ihren Beitrag über den mutigen Pfarrer Bernhard Scheel, auf den wir dieser Tage über eine Internet- Suche gestoßen sind, gelesen. - Ihr gründlich recherchierter Beitrag über Bernhard Scheel ergänzt und bereichert unsere Familienkenntnisse in einer uns bisher unbekannten Dimension. Wir danke Ihnen herzlich.“- 

Ins Jahrbuch Friedrichshafen 2024 werden die Aufsätze übernommen, die auf dem Link Forschungsergebnisse unter Ailingen veröffentlicht sind: „Mord an einem amerikanischen Piloten nach den Luftangriffen auf Friedrichshafen am 20. Juli 1944“ und „Ailingen 1933 - 1938: Bürgermeister und Kreisleiter führen einen erbitterten Kampf gegen Pfarrer Franz Gessler“.

 

2.2.2. Neue Forschungen des DSKOS

Die Recherchen von Gertrud Graf und Eugen Michelberger „Morde an polnischen Kriegsgefangenen und Entwürdigung von deutschen Frauen und Mädchen in der Bodensee – Region 1941/1942 wird demnächst unter „Forschungsergebnisse eingestellt. Allerdings mit dem Vorbehalt, dass einige wichtige Fragen noch offen sind und weitere Nachforschungen notwendig machen. Christoph Dembek hat die bisherigen Ergebnisse dieser Arbeit bereits ins Bodenseearchiv übernommen.

Die hingerichteten polnischen Männer waren Kriegsgefangene. Nach dem Überfall Deutschlands auf Polen 1939 waren sie als Soldaten eingezogen worden. Die polnische Armee war innerhalb von vier Wochen besiegt. 400.000 polnische Soldaten gerieten in deutsche Kriegsgefangenschaft. Die deutsche Führung verweigerte ihnen den Schutz der Genfer Konvention. Begründung: Der polnische Staat existiere nicht mehr! Die Gefangenen, zu Zivilisten erklärt, wurden als Zwangsarbeiter in der deutschen Industrie oder Landwirtschaft ausgebeutet und mit den „Polenerlassen“ entrechtet. Die Todesurteile für die Beschuldigten im württembergischen Bereich des Bodensee erließ die Gestapozentrale in Stuttgart. Die Körper der Hingerichteten wurden in die Anatomie Tübingen gebracht. Für den badischen Bereich ordnete die Gestapozentrale Karlsruhe (Geheimes Staatspolizeiamt Karlsruhe) die Exekutionen an und ließ die Körper der Toten in die Anatomie nach Freiburg bringen.

Zu den Opfern in der Region Bodensee zählten: in Oberteuringen: im Mai 1941 Alexander Borowiec; in Ruschweiler Kreis Überlingen: im Juli 1941 Mieczyslaw Grabowski; in Mimmenhausen bei Salem: im September 1941 Eugen Pagacz und im Mai 1942 Ludwigk Walaczynski; in Madenreute bei Meckenbeuren: im Juni 1941 Josef Musial; in Langenargen beim Gehöft Mückle: im Oktober 1941 Wladislaw Lenda, hingerichtet auf der „Hohen Wacht“, auch genannt Hochwald oder Tettnanger Wald; in Pfullendorf: im April 1941 Jan Kobus, hingerichtet im Gewann „Sieben Linden“ in Pfullendorf; in Bolstern bei Saulgau: im April 1941 Antoni Wlosinski; in Geigelbach (laut Akten: Oberweiler): im Februar 1942 Piotr Pawel Perdek; in Watterdingen bei Stockach: im Oktober 1942 Ludwig Szymanski; in Kreenheinstetten: im Februar 1942 Piotr Rak; in Owingen/Hohenbodman: im Februar 1942 Theodor Borowski.

Trotz intensiver Suche sind bei der Recherche noch Fragen offen geblieben.

Es fehlen Informationen zu den denunzierten Frauen in Mimmenhausen bei Salem, in Bolstern und Geigelbach bei Saulgau. Unklar ist, was mit den polnischen Kriegsgefangenen geschah, die in Unterteuringen zu Fräulein T. (17 Jahre) und Brochenzell zu Frau Sch. Kontakt hatten.

Es fehlen noch immer Erinnerungszeichen für die Ermordeten: in Oberteuringen, in Madenreute/Meckenbeuren, auf dem Hofgut Mückle bei Langenargen, in Bolstern, in Geigelbach, in Watterdingen und in Kreenheinstetten.

In der Bodenseeregion waren 14 Frauen und Mädchen von den Polenerlassen betroffen. Sie wurden denunziert, entwürdigt, misshandelt, ins KZ gebracht, lebenslang körperlich und psychisch geschädigt. Nach 1945 ging die Ausgrenzung in der Gesellschaft weiter. Bis heute wollen Nachkommen vermeiden, dass die Namen der Frauen genannt werden.

Es ist tragisch, dass der Mut von Paula W. und Resi F. bis heute nicht gewürdigt wird. Sie leisteten Widerstand im Alltag, indem sie die polnischen Männer mit Lebensmitteln versorgten, obwohl sie sich der Gefahr der Denunziation bewusst waren. Sie wurden als „Rasseschänderinnen“ verleumdet, und bestraft. Nicht nur ihr Wirken wurde dadurch radikal beendet, sondern auch anderen die Courage genommen, überhaupt in dieser Richtung etwas zu unternehmen.

Unerträglich ist es, dass Familien und Nachkommen der anderen zwölf Frauen immer noch die Ausgrenzung der Gesellschaft fürchten, weil die seltsamen „Moral-Vorstellungen“ der faschistischen Ideologie, über Generationen hinweg, weiter unreflektiert ihre Schatten werfen.

Gedenksteine für ermordete polnische Kriegsgefangene:

In Pfullendorf:

https://www.dsk-nsdoku-oberschwaben.de/erinnerungswege/bodenseekreis-und-sigmaringen/pfullendorf-gedenkstaetten-fuer-jan-kobus/

In Salem:

https://www.dsk-nsdoku-oberschwaben.de/erinnerungswege/bodenseekreis-und-sigmaringen/salem-die-polenlinde-und-polenkreuz/

In Ruschweiler:

https://www.dsk-nsdoku-oberschwaben.de/erinnerungswege/stadt-ulm-und-landkreise-alb-donau-und-biberach/illmensee-ruschweiler-schauplatz-rassenschande-mord/

In Hohenbodman:

https://www.bodenseekreis.de/fileadmin/06_bildung_kultur/kultur/kreisarchiv/kleindenkmale/D_Owingen-Hohenbodman_KLEINDENKMALE20200907.pdf

S. 21, Gräberfeld X in Tübingen: https://www.google.com/search

 

2.3. Neue Denkorte: Gerne berichten wir von der Einrichtung neuer Denkorte im Bereich des Denkstättenkuratoriums.  

 

2.3.2. Projekt „Erinnerungsorte Ehingen“

Aus Ehingen hat uns am 3. August 2023 Ludwig Ohngemach geschrieben: Die „Erinnerungsorte Ehingen 1939-1945“ bezeichnen inzwischen insgesamt sieben Stelen die Schauplätze, an denen auf dem Gebiet der heutigen Stadt Ehingen (Donau) während der zwölfjährigen Herrschaft des Nationalsozialismus Zwangsarbeiter hingerichtet wurden oder Kriegsgefangene durch Vorenthaltung ausreichender Ernährung und medizinischer Versorgung ihr Leben verloren. Darüber hinaus wird durch Namenstafeln in den Ortsverwaltungen ihrer Heimatorte, der Opfer der „Aktion T4“ (Euthanasie) gedacht. Insgesamt sind hiervon neben der Kernstadt Ehingen acht ehemals selbständige Gemeinden betroffen. Nach der endgültigen Fertigstellung soll im Herbst 2023 das Gesamtunternehmen in geeignetem Rahmen der Öffentlichkeit vorgestellt werden. Zwei Beispiele dafür im Anhang.

 

2.3.2. Ehingen

In Ehingen wurden im Baugebiet „Rosengarten“ 30 Straßen nach Widerständlern gegen den Nationalsozialismus benannt. Der frühere Zeitungsverleger Veit Feger ließ 2019 eine Stele mit den Namen der Namensgeber aufstellen (siehe Anlage). Die Aufschrift auf der Stele lautet: „Sie widerstanden einem Unrechtsstaat. Die Stadt Ehingen erinnert an diese tapferen Frauen und Männer mit den Namen der Straßen im Rosengarten“.

 

2.3.3. Uniklinik Ulm

In der Uniklinik Ulm wird seit dem Juli 2023 mit einem von der Künstlerin Marlis Glaser angefertigten Porträt an die jüdische vertriebene Ärztin Hertha Nathorff erinnert, die aus Laupheim stammte. Das Bild wurde von Veit Feger gestiftet (siehe Anlage). Hier der Link zu den bisher von Veit Feger gestifteten Portraits.

 

2.3.4. Schelklingen

Auf dem Schelklinger Friedhof wurde im Juli 2022 eine von der Stadt in Auftrag gegebene Stele zur Erinnerung an die Zwangsarbeiter feierlich eingeweiht, die im Zweiten Weltkrieg in Schelklingen ums Leben kamen. Von den ca. 400 Zwangsarbeitern aus vielen Nationen (Russen, Polen, Serben, Kroaten, Slowenen, Italiener, Griechen, Ukrainer, Elsässer), die z.B. in der Zementfabrik oder bei Zeiss Ikon sowie in der Landwirtschaft arbeiten mussten, starben 41 Menschen (darunter 21 Kinder) an den unmenschlichen Arbeits- und Wohnverhältnissen (siehe Anlage).

 

2.4. Veranstaltungen

 

2.4.1. Symposium des DZOK Ulm zur Vorstellung der neuen Online-Häftlingsdatenbank des DZOK „Heuberg-Oberer Kuhberg-Gotteszell“

Ein Hauptziel der Arbeit des DSKOS ist die Förderung der Erinnerungskultur durch eine Vernetzung der Arbeit von Gedenkstätten. In diesem Zusammenhang beteiligte sich das DSKOS an zwei Veranstaltungen, die im ersten Halbjahr 2023 stattfanden. Nachdem das DZOK Ulm in Person des Archivars Josef Nassl seit Jahren neben den Daten der Häftlinge zum Oberen Kuhberg auch Daten zu Häftlingen auf dem Heuberg und dem KZ Gotteszell gesammelt hat, konnte das DZOK nun die Datenbank zu den Häftlingen auf dem Oberen Kuhberg um die biographischen Informationen zu Häftlingen der KZs Heuberg und Gotteszell ergänzen. Somit gibt es nun ein landesweites Informationsinstrument zu Häftlingen der frühen Lager. Die Datenbank enthält Namen und Lebensdaten von über 2000 Häftlingen sowie Informationen zu ihrer Inhaftierung, den Haftgründen und Quellen. Auf einem Symposium wurden am 23. März die Datenbank vorgestellt und Perspektiven der Weiterentwicklung diskutiert. Neben Angehörigen von Häftlingen und Mitarbeitern in Kommunalarchiven stellte Uwe Hertrampf als Vertreter des DSKOS und Lokalforscher in Baienfurt seine Recherchen zu Baienfurter Kommunisten vor, die im März 1933 zur Einschüchterung ins KZ Heuberg gekommen waren. Aus den Workshops über Perspektiven der Weiterentwicklung der Datenbank des DZOK ergab sich der Appell an Lokalforscher und Gedenkinitiativen im Bereich des DSKOS, ihre biografischen und lokalhistorischen Informationen zu Häftlingen in den KZs Heuberg, Oberer Kuhberg und Gotteszell dem DZOK (Archivar Josef Nassl) zur Erweiterung der Datenbank zur Verfügung zu stellen. So kann die Vernetzung einen großen Beitrag zur Weiterentwicklung des zentral digital nutzbaren Wissens leisten.

 

2.4.2. Tagung „Vernetztes Gedenken – Erinnerungsarbeit zwischen ‚Peripherie‘ und ‚Zentrum‘ im Tagungshaus der Akademie in Weingarten (29. Juni – 1. Juli 2023).

Veranstalter waren von der Universität Tübingen die Forschergruppe zum „Gräberfeld X“ (Prof. Dr. Benigna Schönhagen und Stefan Wannenwetsch) und die Akademie der Diözese Rottenburg Stuttgart. Die Teilnehmer waren Historiker und Aktive der Erinnerungsarbeit aus dem ganzen Bundesgebiet. Ausgangspunkt dieser Tagung war das Projekt „Gräberfeld X“ in Tübingen, wo zusätzlich zu den „Armenleichen“ in der NS-Zeit Hingerichtete und erhängte Zwangsarbeiter nach dem Krieg bestattet wurden, deren Körper in der NS-Zeit der Anatomie der Universität Tübingen zu Lehr- und Forschungszwecken dienen mussten. Eine zentrale Fragestellung lautete, wie eine sinnvolle, dauerhafte Erinnerungsarbeit der Konstellation gerecht werden kann, dass der Ort, an dem sie zu NS-Opfern wurden, oft weit entfernt von der Begräbnisstätte liegt. In Zusammenarbeit mit Bernd Reichelt und Thomas Müller vom Forschungsbereich Geschichte der Medizin am Zentrum für Psychiatrie Südwürttemberg beteiligten sich Uwe Hertrampf und Gertud Graf vom DSKOS an dieser Tagung. Während die ersteren vor allem die verstorbenen Psychiatriepatient:innen im Blick hatten, die als „Armenleichen“ aus unterprivilegierten sozialen Gruppen und Familien in der NS-Zeit in die Tübinger Anatomie kamen, beschäftigten sich die Vertreter des DSKOS mit den in Bodnegg und in Oberschwaben erhängten Zwangsarbeitern. Uwe Hertrampf berichtete von den beiden polnischen Zwangsarbeitern Sitek und Saepsew, die in Bodnegg wegen „tätlicher Auflehnung“ in einer großinszenierten Veranstaltung erhängt wurden – am Rande eines Waldes, der noch heute im Volksmund „Henkerwald“ heißt. Gertrud Graf gab einen kurzen Einblick in die Schicksale von zwölf polnischen Kriegsgefangenen, die zur Zwangsarbeit gezwungen, durch die „Polenerlasse“ entrechtet, 1941/1942 im Bodenseeraum exekutiert wurden. Sie verwies auf die Mädchen und Frauen, die mit ihnen Kontakt hatten, dafür öffentlich gedemütigt, ins KZ verschleppt und auch nach 1945 weiter ausgegrenzt wurden. - Als Vorschläge für ein vernetztes Gedenken zwischen Zentrum (Gräberfeld X) und Peripherie (Bodnegg und Orte in der Bodenseeregion wie Oberteuringen, Ruschweiler, Salem, Mimmenhausen, Meckenbeuren, Langenargen, Kreenheinstetten, Watterdingen, Hohenbodman) trug das DSKOS in seinem Tagungsbeitrag folgende Gedanken vor:

  • Das Gräberfeld X könnte anhand der Opferliste Initiativen vor Ort zu Recherchen anregen.
  • Initiativen vor Ort weisen nach Recherchen in ihren Texten auf das Gräberfeld X hin.
  • Sie senden ihre recherchierten Opferbiographien ( z.B. aus Bodnegg und aus der Bodenseeregion) an das Gräberfeld X.
  • Auf der Basis dieser Daten könnte das Gräberfeld X zur Koordinierung des Gedenkens an einzelne Opfergruppen (z.B. Zwangsarbeiter/ Kriegsgefangene) eine Online-Datenbank, eine Broschüre, eine Ausstellung erstellen.
  • Gräberfeld X und lokale Initiativen könnten gegenseitig suchende Angehörige vermitteln.
  • Das DSKOS könnte den Kontakt zwischen Gräberfeld X und lokalen Initiativen unterstützen.
  • DSKOS könnte eine Exkursion nach Tübingen zum Gräberfeld X und zum Besuch der Ausstellung organisieren. Ansonsten plädierten Thomas Müller, Bernd Reichelt , Gertrud Graf und Uwe Hertrampf für eine sichtbare Gedenkstelle am physischen Ort der Ermordung, die mehr Menschen zur Auseinandersetzung motiviert, während der digitale Zugang wichtig ist für bereits interessierte Personen, die auf diese Weise tiefergehende Informationen finden können.

Weitere Informationen über Themen und Tagungsbeiträge können dem beigefügten Tagungsprogramm entnommen werden (siehe Anlage).

 

Bildungsveranstaltungen

 

3.1. Rückblick

 

3.1.1. Veranstaltungen am 10. Mai 2023 anlässlich der Bücherverbrennung durch nationalsozialistische Studenten vor 90 Jahren

In Zusammenarbeit mit Studenten und Mitgliedern des Studentenwerks Weiße Rose hat das DSKOS in der Woche um den 10. Mai Aktionen zur Erinnerung an die Bücherverbrennung vor 90 Jahren geplant und durchgeführt (siehe Anlage). Dazu gehörte auch die Gestaltung eines Schaufensters der „Stadtbuchhandlung“ in Weingarten mit einem Informationstext und der Ausstellung von „verbrannten Büchern“. Am 10 Mai selbst fand eine gutbesuchte Veranstaltung im Stadtgarten in Weingarten statt, auf der von bekannten Personen aus Politik, PH und Kultur ausgesuchte Texte aus „verbrannten Büchern“ vorgelesen wurden (siehe Anlage). Anschließend an die Lesung wurden 10 Exemplare solcher Bücher an Besucher der Veranstaltung verschenkt. Neben der Bühne konnten sich Passanten und Besucher des Stadtgartens mehrere Tage lang an einem mit Informationen zum Thema (z.B. den „Feuersprüchen“) gespickten Bauzaun über die Bücherverbrennung vor 90 Jahren informieren (siehe Anlage). Dazu gehörte die Information, dass es in unserem Raum nur Bücherverbrennungen durch die HJ - in Ulm (am 13.7.1933) und in Laupheim (22.7.1933) gegeben hat (Quelle: Ulmer Tagblatt vom 15.7. und 24.7.1933).  Nachmittags fand eine von Studierenden des Studentenwerks Weiße Rose vorbereitetes Symposium statt, auf dem drei Dozenten der PH vor einem gefüllten Festsaal mit vielen Studierenden und Dozenten Vorträge zum Thema „Bücherverbrennung“ hielten (siehe Anlage) . Am selben Tag wurden auf Initiative einer Kunstlehrerin am Gymnasium Weingarten im Foyer der Schule den ganzen Schultag über abwechselnd von Schüler:innen und Lehrer:innen vor großem Schulpublikum kurze Texte von verfemten Autoren vorgelesen. Im Kulturzentrum „Linse“ wurde an drei Tagen der neue Film „Im Westen nichts Neues“  - verfilmt nach dem Titel des berühmten „verbrannten“ Buch von Erich Maria Remarque – gezeigt.

Der Kreisjugendring führte in Zusammenarbeit mit Integrationsbeauftragten in den Orten Aulendorf, Bad Waldsee und Wangen Erzählcafés zur heutigen individuellen Bedeutung von Büchern für Leser durch. Insgesamt war es eine Aktionswoche mit vielen verschiedenen Aktionen, die große Aufmerksamkeit fanden. So wurden verfemte Autoren und ihre Bücher, die dem Nazi-Geist zuwiderliefen, bekannt gemacht. Es lohnt sich, das eine oder andere Buch selbst mal zur Hand zu nehmen (siehe Anlage mit Liste „verbrannter Bücher“). Dazu die Aussage von Joseph Roth: “Ich schätze alle Schriftsteller, die vom III. Reich verbrannt worden sind, selbst jene unter ihnen, die mir vorher fremd waren. Denn das Feuer hat sie geläutert, veredelt und mir nahegebracht.“

 

3.1.2. Gedenktage „Weiße Rose“ vom 27. Juni bis zum 2. Juli 2023

Anlässlich der Ermordung der Mitglieder der „Weißen Rose“ vor 80 Jahren am 22.2.1943 (Geschwister Scholl, Christoph Probst), am 13.7.1943 (Alexander Schmorell, Kurt Huber) und am 12.10.1943 (Willi Graf) veranstaltete das Studentenwerk Weiße Rose Ende Juni Gedenktage. Im Rahmen dieser Gedenktage wurde im Schlossbau der PH die Ausstellung der „Weiße-Rose-Stiftung“ München „Weiße Rose. Der Widerstand von Studenten gegen Hitler, München 1942/43“ gezeigt. Auf der Eröffnungsveranstaltung im Festsaal der PH führte nach der Begrüßung durch den Vorsitzenden des Studentenwerks, Peter Ederer, Uwe Hertrampf in einem Vortrag in die Ausstellung ein (siehe Anlage: Bericht) Dabei fokussierte er sich auf die Fragen: Welche Erfahrungen und Eigenschaften prädestinierte die jungen Menschen der Weißen Rose, im Gegensatz zur großen Masse das Verbrecherische am Nationalsozialismus zu erkennen? Wie brachten sie die Kraft auf, ihre Erkenntnis in Tat, ja in lebensgefährlichen Widerstand umzusetzen? Dabei stieß er mit der Historikerin Miriam Gebhardt auf die Inhalte elterliche Erziehung und die ungefährdete Unterstützung durch die Eltern, dazu die „produktive Lösung von Adoleszenzkrisen“ (Gebhardt). Kraft zur Tat habe ihnen dann der Lektüre- und Diskussionsprozess im Kreis von Freunden und älteren Mentoren gegeben. Immer wieder zitierte Hertrampf in seinem Vortrag auch Gedanken der Widerständler aus Tagebüchern und Flugblättern, z.B. über die Wirkung der Masse, die auch heute noch Orientierung geben können – z.B. im Umgang mit dem Populismus. Zum weiteren Programm der Gedenktage gehörte auch eine Autorenlesung von Robert M. Zoske („Die Weiße Rose. Geschichte, Menschen, Vermächtnis“ in der Stadtbuchhandlung in Weingarten), der vor allem den christlichen Hintergrund im Handeln der Widerständler beleuchtete. Im Kulturzentrum „Linse“ wurde der Film „Weiße Rose“ von Michael Verhoeven und in Schaufenstern von Einzelhandelsläden künstlerische Porträts von Mitgliedern der Weißen Rose aus der „Galerie der Aufrechten“ gezeigt. Bei einer Geschichtswanderung führte Uwe Hertrampf die Teilnehmer „Auf den Spuren des Nationalsozialismus“ durch die Stadt Weingarten. Die Gedenktage fanden ihren Abschluss in der feierlichen Niederlegung weißer Rosen an den Gedenktafeln der Weißen-Rose-Mitglieder im Campus Weiße Rose vor den Wohnheimen für Studierende.

 

3.2. Ausblick, Planungen, Kalender

 

3.2.1. Vor 90 Jahren: das historisches Jahr 1933

 

Genau 90 Jahre ist es her, dass die Nationalsozialisten nach der Machtübergabe an Hitler die politischen Gegner unterdrückten und sich schließlich im Rahmen der Gleichschaltung die alleinige Macht in Staat und Gesellschaft sicherten. Wie sich die Beseitigung der Demokratie innerhalb von kurzer Zeit aus einer Atmosphäre wirtschaftlicher Not und politischen Terrors ergab, lässt sich anschaulich in den Zeitungsaugaben der damaligen Zeit verfolgen. Von daher bietet es sich an, diese rasante Entwicklung innerhalb kurzer Zeit nachzuzeichnen. Diesen Versuch will Uwe Hertrampf unternehmen mit seinem Vortrag im Rahmen der VHS Weingarten „Vor 90 Jahren: „Nationalsozialistische Gleichschaltung“ im Deutschen Reich und in Weingarten/ Oberschwaben (30.11.2023, Bücherei Weingarten).

 

3.3. Veranstaltungskalender

 

Um Sie bei der Bewerbung örtlicher Veranstaltungen zu unterstützen, möchten wir Ihre Veranstaltungen in einem Online-Kalender auf der Homepage des DSKOS aufführen. Dazu melden Sie uns bitte geplante Vorhaben an info@dsk-nsdoku-oberschwaben.de, damit wir den Veranstaltungskalender auf einem aktuellen Stand halten können.

 

Wir hoffen, dass wir Ihnen in diesen Mitteilungen einige interessante Informationen und motivierende Anregungen für die eigene Arbeit geben konnten, und freuen uns immer über Rückmeldungen, Informationen, Ideen und Anregungen von ihrer Seite.

In diesem Sinne grüßen Sie alle ganz herzlich

 

Uwe Hertrampf                    Peter Ederer                                      Gertrud Graf
(für das Denkstätten-        (Vorsitzender Studentenwerk     (Vertreterin des DSK
sekretariat)                           Weiße Rose e.V.)                              bei der LAGG)

 

Anlagen:

 

DENKStättenkuratorium
NS-Dokumentation Oberschwaben

Briachstr. 10, 88250 Weingarten

Tel.: 0751/560838-0
Fax: 0751/560838-14
E-Mail: info@dsk-nsdoku-oberschwaben.de
Web: www.dsk-nsdoku-oberschwaben.de