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Erinnern statt Verdrängen

Wangen im Allgäu

Am Beginn der nationalsozialistischen Ära steht die Amtsenthebung des Wangener Bürgermeisters Friedrich Geray, die Zurücksetzung weiterer Amtspersonen, die Gleichschaltung der zentrumstreuen Presse und die Verfolgung der politischen Opposition. Es folgen Zwangssterilisierungen mit Todesfolge und die Ermordung von „Erbkranken“ in Grafeneck. Durchreisende Sinti und Roma wurden mit „Zwangsdesinfektion“ schikaniert und Zwangsarbeiter schufteten in den Betrieben.

Die Entrechtung und Enteignung der Wangener Juden fand in aller Öffentlichkeit statt. Die Familie Sigmund Stern hatte seit 1906 ein Konfektionsgeschäft in der Bindstraße und ein weiteres am Postplatz. 1938 verkauften Schwiegersohn Erwin Jung und Mina, geb. Stern ihre Häuser und zogen nach Konstanz. Erwin Jung kam am 22. August 1942 im Konzentrationslager Theresienstadt ums Leben. In den Vernichtungslagern wurden über zehn Mitglieder der Familie Stern umgebracht. Das Kaufhaus Dahlberg – Lehmann in der Gegenbaurstraße wurde in der Reichspogromnacht am 9. November 1938 zum Ziel des organisierten Judenhasses. Ihr Haus verkaufte die Familie für nicht einmal die Hälfte seines tatsächlichen Wertes und emigrierte mit ihren Kindern nach Südamerika.

Martin und Rosa Lindauer betrieben eine Viehhandlung in ihrem Anwesen an der Klosterbergstraße. Nach Schutzhaft und Berufsverbot waren sie zur Auswanderung gezwungen. Der Viehagent Ferdinand Fröhlich wurde im März 1936 wegen „Rassenschande“ mit einer Deuchelriederin verhaftet. In einer Saukiste eingesperrt zog ihn die SA durch die Straßen, vom johlenden Mob verhöhnt und angepinkelt. Am 22. November 1941 kam er im Konzentrationslager Gurs (Frankreich) ums Leben.

Zwei jüdische Frauen in Mischehen überlebten den Holocaust. Elsa Maria Sohler, geb. Stern musste ein Leben in Einschränkung, Ausschluss von allen gesellschaftlichen Ereignissen und in permanenter Angst vor der Deportation führen. Ihre vier Kinder hatten als „unerwünschter Nachwuchs“ viele Schikanen und Benachteiligungen zu erleiden. So auch die Zahnarztfamilie Seelos. Luzie Johanna Seelos, geb. Marx entkam nur knapp der Deportation durch die Hilfe eines Wangener Arztes.

Text: Rainer Jensch, Stadtarchiv Wangen

 

Literatur: Birgit Locher-Dodge: Verdrängte Jahre? Wangen im Allgäu 1933 – 1945; Herausgegeben Weiler im Allgäu 1999.

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