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Opfer des Todesmarsches

Standort Altshausen

Mit dem Näherrücken des Kriegsgeschehens im Frühjahr 1945 brechen auch in Altshausen turbulente Zeiten an und die Herrschaft des NS-Apparates verschwindet, ohne dass jedoch ein bruchloser Übergang zu „normalen“ Besatzungsverhältnissen konstatiert werden kann. Die Tage vor der Besetzung durch französisches Militär stehen auch hier unter dem Eindruck der zurückweichenden deutschen Militäreinheiten, in deren Gefolge und in der allgemeinen Absetzbewegung in Richtung Alpen auch Kolonnen von KZ-Häftlingen aus Lagern auf der Zollernalb in das durch Militär und Fremdarbeiter völlig überbelegte Altshausen gelangten. Eine dieser Häftlingskolonnen sah sich am 22. April 1945, einem Sonntag, unvermittelt befreit, da sich ihre SSBewachung der Fluchtbewegung angeschlossen hatte. Eine offizielle Chronik oder sonstige Berichte und Schriftzeugnisse über die Besetzung Altshausens und die unmittelbare Zeit danach gibt es im Aktenbestand des Archivs nicht. Der Grund dafür ist u.a. darin zu sehen, dass nach der Besetzung durch die Franzosen zunächst ein Bürgermeister eingesetzt wurde, dessen Regiment in den folgenden Wochen durch Willkür und Terror zu kennzeichnen ist. Die im Archiv Altshausen vorliegenden Akten enthalten als einzigen zusammenhängenden Bericht über die Ereignisse im April 1945 eine Schilderung des damaligen evangelischen Pfarrers Eugen Knebel, der erst 1957 in den Bestand gelangte. Sein aus eigenen Tagebuchaufzeichnungen zusammengestellter Bericht mit dem Titel „So erlebte ich den Zusammenbruch“ wurde erstmals im „Kirchenboten für den evangelischen Dekanatsbezirk Biberach a. d. Riß“ im Jahr 1957 veröffentlicht. Nach diesen Schilderungen wurde Altshausen nach kleineren Scharmützeln am 22. April 1945 von der Front quasi überrollt und die weiter nach Süden vorgehenden französischen Einheiten ließen nur eine kleine Besetzung zurück. Zuvor waren die in Altshausen anwesenden KZ-Häftlinge bereits freigekommen.

Wie oben bereits erwähnt fand währen der „Amtszeit“ des von den Franzosen zunächst eingesetzten Bürgermeisters Rohrer keine geordnete Verwaltungstätigkeit statt. In einer undatierten Liste aus der Zeit danach, in welcher die Sterbefälle von Ausländern im Zeitraum vom 25. April 1945 bis 31. März 1947 (teilweise nachträglich) erfasst sind, werden drei verstorbene ehemalige KZ-Häftlinge genannt. Es sind dies: – der russische Häftling Andrej Kusmjn, gestorben am 30. April 1945 im Gasthof „Preußischer Hof“ – der tschechische Häftling Robert Syrovy, gestorben am 2. Mai 1945 im Lazarett in der Oberschule, – ein namentlich nicht bekannter Häftling, vermutlich polnischer Nationalität, tot aufgefunden in der Ebersbacher Straße am 2. Mai 1945. Als Todesursache wird Erschöpfung vermutet. Der Fall des am 30. April im Preußischen Hof ums Leben gekommen russischen Häftlings Kusmjn weist eine besondere Tragik auf. Als Todesursache wird in der Sterbeliste vermerkt: „hat sich selbst erschossen“. In seinem Tagebuchbericht vom 2. Mai 1945 erwähnt Pfarrer Knebel einen Todesfall mit einer Schusswaffe, geht jedoch davon aus, dass es sich dabei um einen französischen Soldaten gehandelt habe. Ein genaues Datum nennt er nicht, berichtet jedoch von großer Aufregung und von angedrohten Härten in Form von Repressalien von Seiten des Besatzungsmilitärs. Diese angedrohten Repressalien im Verhältnis 1 zu 20 kamen jedoch nicht zur Vollstreckung, da schließlich auch von der französischen Militärbesatzung ein Fremdverschulden an diesem Todesfall ausgeschlossen wurde. Möglicherweise handelt es sich hier um ein und dasselbe Ereignis, verursacht durch unsachgemäßes Hantieren mit einer Schusswaffe. Etliche der bei der Besetzung Altshausens befreiten und überlebenden KZ-Häftlinge sind auch in den Folgejahren namentlich dokumentiert, und zwar durch Korrespondenz in Wiedergutmachungsverfahren. In der Hauptsache geht es dabei um Bescheinigungen über die erfolgte Befreiung und den Aufenthalt in Altshausen. Über die Bestattung der zu Tode gekommenen Häftlinge enthalten die Akten im Archiv Altshausen nur wenige Angaben. Auf dem Ehrengräberfeld des Altshausener Friedhof trägt eines der Kreuze die Aufschrift „UNBEKANNT“. Der auf tragische Weise durch eine Schußwaffe ums Leben gekommene Andrej Kusmjn wurde auf den Russenfriedhof in Biberach/Riß umgebettet.

Text: Werner Radlow

 

Quellen: Gemeindearchiv Altshausen: A451; A690; A744; A906; A910; A919; A1139; A1281

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