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Campus Weiße Rose
30.08.2018

Mitteilung Nr. 02 - 18 des DENKStättensekretariats

Im Fokus: „Galerie der Aufrechten“ in Weimar und Friedrichshafen mit Aufnahme des Porträts von Lilo Herrmann und Künstlerinnengespräch; Gesamtbroschüre zu den Denkorten der Oberschwäbischen Erinnerungswege liegt in Neuauflage vor; Videoaufnahmen von Zeitzeugengesprächen; Exkursionen zu benachbarten Denkorten: Goldbacher Stollen, Stadtführung Ulm „Auf den Spuren der Familie Scholl“, Oberer Kuhberg Ulm; Vorträge zum Gedenken an die Hinrichtung der Mitglieder der Weißen Rose vor 75 Jahren; Planspiel „Flüchtlinge an unserer Schule“; Anne-Frank-Ausstellung; Vertretung des Denkstättenkuratoriums im Sprecherrat der LAGG durch Gertrud Graf

 

Sehr geehrte Mitglieder, sehr geehrte Freunde/Innen unseres Denkstättenkuratoriums,

 

heute möchten wir Sie wieder über die Aktivitäten des Sekretariats in den letzten Monaten informieren.

 

Ein Arbeitsschwerpunkt des Denkstättensekretariats ist die Pflege und Präsentation unserer Ausstellung „Galerie der Aufrechten“ mit ihren ca. 60 Porträts von Widerständlern.

Im Januar dieses Jahres wurde auf Initiative von Elsa-Ulrike Ross, Vorsitzende der Pfarrer-Paul-Schneider-Gesellschaft, die „Galerie der Aufrechten“ im Stadtmuseum von Weimar gezeigt. Eine kleine Delegation des Studentenwerks „Weiße Rose“ nahm an der Eröffnungsfeier teil und besuchte auch die Gedenkstätte des ehemaligen KZ Buchenwald, in dem Paul Schneider seine Mithäftlinge stärkte und selbst umkam.

Seit April gastiert nun unsere Ausstellung in unserer Nähe, im Stadtarchiv von Friedrichshafen – auf Anregung von Stadtarchivar Jürgen Oellers. Dort kam auch das neue, von der Ravensburger Künstlerin Kathrin Landa erstellte, Porträt von Lilo Herrmann in die Ausstellung. Eine kommunistische Widerständlerin, die wegen des Verrats von Aufrüstungsplänen vor ziemlich genau 80 Jahren als junge Frau und Mutter hingerichtet wurde. Anlässlich des Gedenkens an ihre Hinrichtung gab es im Juni eine Dichterlesung der ausgewiesenen Lilo-Herrmann-Expertin Ditte Clemens aus ihrem Buch „Schweigen über Lilo Herrmann“, in dem deutlich wird, wie wenig die DDR an einer detaillierten Aufarbeitung des individuellen menschlichen Schicksals von Lilo Herrmann interessiert war, um das von ihr geschaffene Bild der heroischen kommunistischen Widerstandskämpferin nicht zu gefährden. In einem weiteren Vortrag beschrieb der Stuttgarter Historiker und Lilo-Herrmann-Experte Lothar Letsche das Schicksal von Lilo Herrmann und der mit ihr hingerichteten Mitglieder der Gruppe Lovasz.

Eine Premiere war das Künstlerinnengespräch mit Katrin Landa und Renatea Jaworska (Salem), in dem die Künstlerinnen ihre Herangehensweise an die Aufgabe der Portraitierung der Widerständler darlegten. Dabei wurde unsere Ausstellung sehr gelobt. Sie habe das Alleinstellungsmerkmal der Verbindung der Themen Widerstand und Kunst. Die aus der Perspektive der Künstler dargestellten Widerständler würden durch die farbliche Darstellung als lebendige Denkmäler des Widerstands erscheinen und die Betrachter von Mensch zu Mensch in der Frage nach dem „Aufrechtsein“ ansprechen. Die Ausstellung müsse noch stärker beworben und häufiger präsentiert werden. In diesem Zusammenhang möchten wir betonen, wie gern wir die Ausstellung auch speziell an Mitglieder des Denkstättenkuratoriums – z.B.  zum Anlass eines Gedenktages – ausleihen.

 

Ein weiterer Schwerpunkt unserer Arbeit in den letzten Monaten war die Zusammenfassung der fünf Einzelbroschüren mit den Denkorten der verschiedenen Erinnerungswege zu einer Gesamtbroschüre. Hauptzweck der Neuauflage in einem Band ist eine schnellere und bessere Übersicht über die Denkorte und damit auch eine einfachere und größere Praktikabilität für die Benutzer der Broschüre. Dem dient vor allem die Beseitigung von Dopplungen, eine gestraffte Struktur, die redaktionelle Vereinheitlichung der Beiträge und ein Personen- sowie ein Sachverzeichnis, mit dessen Hilfe man schnell feststellen kann, wo es einen Denkort gesuchter Art (z.B. in Bezug auf Judenverfolgung, auf Zwangsarbeit, auf „Euthanasie“-Opfer oder auch Widerständler) gibt. Seit März liegt nun die Gesamtbroschüre in einer Auflage von 5000 Exemplaren vor. Das Denkstättensekretariat ist jetzt dabei, diese Gesamtbroschüre den zuständigen Multiplikatoren wie Gedenkstätten, Stadtverwaltungen, Experten, Büchereien und Schulen zukommen zu lassen. Bei Bedarf melden Sie sich bitte bei Philipp Stäbler (philipp.staebler@studentenwerk-ev.de), damit er Ihnen die Broschüre in der gewünschten Anzahl zusenden kann.

 

Ein Problem für die Arbeit im Rahmen der Erinnerungskultur ist das Aussterben der Zeitzeugen. Ihre Berichte über die NS-Zeit sind wegen ihrer anschaulichen Darstellung der Ereignisse vor Ort in der NS-Zeit  unersetzlich. Um diese Berichte und damit das Vermächtnis der Zeitzeugen zu sichern, hat das Denkstättensekretariat mit Hilfe des Ravensburger Künstlers Andreas Knitz – bekannt als Schöpfer des Denkmals der  Grauen Busse im ZfP Weißenau – Berichte der Baienfurter Zeitzeugen Alois Thoma und Hans Sättele über ihre Erlebnisse in Baienfurt mit Video aufgenommen - genauso wie einen geschichtlichen Lerngang zur NS-Geschichte durch Baienfurt mit Schülern der Baienfurter Gemeinschaftsschule.

Vermittelt wurde auf Anfrage von Lehrern der Herbertinger Gemeinschaftsschule die Führung einer Schulklasse auf den Spuren der jüdischen Geschichte Bad Buchaus durch die Expertin Charlotte Mayenberger. In einer solchen Vermittlung sehen wir die Chancen unseres Netzwerks von Denkorten- genauso wie in den Exkursionen zu benachbarten Denkorten für ein interessiertes Publikum.

 

Eine solche Exkursion für Studenten der PH und FH Weingarten und Interessierte aus dem Kreis des Studentenwerks „Weiße Rose“ organisierte das Denkstättensekretariat im April nach Überlingen, wo unser Fachmann Ossi Burger eindrucksvoll und anschaulich durch den Goldbacher Stollen führte. Dieser musste von KZ-Häftlingen gegraben werden, weil die Nationalsozialisten dort die Produktion der in Friedrichshafen ausgebombten Rüstungsindustrie unterirdisch fortsetzen wollten (Anlage 1). Die gute Beteiligung an dieser Exkursion zeigt, dass solche fachkundigen Ausflüge an Denkorte in der Nachbarschaft, von denen man immer schon mal etwas gehört, sie aber noch nie gesehen hat, doch für ein interessiertes Publikum wie auch für Studenten, unter denen sich auch viele internationale Studenten befanden, recht attraktiv sind.

Deshalb planen wir auch zusammen im Rahmen des Gedenkens an die Hinrichtung der Mitglieder der Weißen Rose vor 75 Jahren eine Exkursion am 21. Oktober nach Ulm, wo die Leiterin des Dokumentationszentrums Oberer Kuhberg Nicola Wenge in einer 90 minütigen Stadtführung „Auf den Spuren der Familie Scholl“ den Weg der Geschwister Scholl in den Widerstand gegen das NS-Regime nachzeichnen wird. Danach besuchen wir die Gedenkstätte Oberer Kuhberg, dem einzigen in Süddeutschland noch erhaltenen frühen Konzentrationslager (von 1933 bis 1935). Einen guten Anlass zur Bildungsarbeit des Denkstättenkuratoriums bieten immer Gedenktage – in diesem Jahr natürlich die Tage der Hinrichtung der Mitglieder der „Weißen Rose“ vor 75 Jahren. So hat das Denkstättenkuratorium zum Gedenken an die Hinrichtung der Mitglieder der Weißen Rose vor  75 Jahren in diesem Jahr zwei Vortragsveranstaltungen organisiert. Im Januar referierte bei der Jahreshauptversammlung des Denkstättenkuratoriums die Konstanzer Historikerin Miriam Gebhardt  ( Autorin des Buches „Die Weiße Rose – Wie  aus ganz normalen Deutschen Widerstandskämpfer wurden.“ ) über die allgemeine Faktoren, die die Widerständigkeit der Mitglieder der „Weißen Rose“ bewirkten – wie das Gefühl des Geliebtseins und der unbedingten Unterstützung durch ihre Familien und die Persönlichkeitsstärkung durch gut bewältigte Krisen in der Adoleszenz, die über ihre Religiosität und Schlüsselerlebnisse hinaus wirksam geworden seien (Anlage 2).

Im Juni hielt die Mannheimer Historikerin Prof. Dr. Angela Borgstedt einen Vortrag zum Thema „ Aufrechter Gang. Zum Verhältnis von Widerstand in der NS-Zeit und Zivilcourage heute.“ Darin zeigte sie aus ihrer Forschungstätigkeit Möglichkeiten des „aufrechten Gangs“ an Beispielen des regionalen NS-Widerstands im deutschen Südwesten auf und beschrieb die Chancen der Auseinandersetzung mit diesem Thema, die sie vorrangig in der Extremismusprävention, der Stärkung der Empathiefähigkeit und der Stärkung im Einsatz für Demokratie und Menschenrechte heute sieht (Anlage 3).

Wichtig, um unser historisches Anliegen auch politisch fruchtbar zu machen,  ist unser Erfahrung nach die Zusammenarbeit mit Partnerorganisationen. So veranstaltete das Denkstättensekretariat  in Weingarten im Februar in Zusammenarbeit mit der Weingartener Stelle des Bundesprogramms „Demokratie leben“  einen Workshop an der  Realschule Weingarten. In diesem Workshop führte die Jugendstiftung Baden-Württemberg  in zwei zehnten Klassen  ein  Planspiel „Flüchtlinge an unserer Schule“ durch. In diesem Planspiel setzten sich die Schüler in einem Rollenspiel mit dem Problem der Integration und der Überwindung von Vorurteilen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit und Rassismus auseinander (Anlage 4). Workshop-Angebote dieser Art – in Zusammenarbeit mit Organisationen wie  „Demokratie leben“ und dem  neuen Demokratiezentrum Oberschwaben mit  Stützpunkten in Biberach und Ravensburg scheinen uns wichtig, um das Vermächtnis der NS-Geschichte nicht nur zu konservieren, sondern in  aktualisiertem Zusammenhang fruchtbar werden zu lassen. Um solche empfehlenswerten Angebote von Trägern wie dem Demokratiezentrum, das jetzt auch vor Ort tätig ist ( Kontakt: Kreisjugendring Ravensburg e.V., Stefanie Kruse | Kreisjugendring Ravensburg e.V., Kuppelnaustr. 36,88212 Ravensburg, Telefon 0751/21081,Telefax 0751/21013, s.kruse@kreisjugendring-rv.de, www.jukinet.de ) an die Schulen und Träger der Erwachsenenbildung vermitteln zu können, ist es wichtig, Kontakte zu den Schulen der Region auszubauen und eine Art Bildungspartnerschaft zwischen ihnen und dem Denkstättensekretariat unter dem Aspekt der regionalen Erinnerungskultur aufzubauen.

Ein besonderes Projekt, das sich dazu besonders eignet, wird die von den beiden Städten Weingarten und Ravensburg gemeinsam getragene Anne-Frank-Ausstellung im Februar 2019 in Räumen von Schwäbisch Media sein. Schon jetzt tagt eine Vorbereitungsgruppe, in der neben den Stadtverwaltungen die Organisation „Demokratie leben“, das Demokratiezentrum Ravensburg, die Gesellschaft für deutsch-jüdische Begegnung und das Denkstättenkuratorium zusammenarbeiten. Besonderes Merkmal der vom Anne-Frank-Zentrum erstellten Ausstellung ist die Ausbildung von 30 Jugendlichen von Schulen der Region als „Peer Guides“, also als jugendliche Führer durch die Ausstellung, die Klassen ihrer Schulen und auch Erwachsene durch die Ausstellung führen sollen. In den Kontakten zu den Schulen bei der Suche nach interessierten Jugendlichen und der Betreuung der Jugendlichen wird die Hauptaufgabe des Denkstättensekretariats bestehen.

 

Kontakte auf Landesebene

Nachdem das Denkstättenkuratorium auf Antrag des Denkstättensekretariats im letzten Jahr in die LAGG (Landesarbeitsgemeinschaft der  Gedenkstättenarbeit in Baden Württemberg) aufgenommen worden ist, genießt das Denkstättenkuratorium als Mitglied dieses Gremiums, das eng mit dem Referat Gedenkstättenarbeit in der Landeszentrale für politische Bildung unter der Leitung von Frau Thelen zusammenarbeitet, nun die Vorteile der Vernetzung auf Landesebene, des Informationsaustausches, der Mitwirkung an Beschlüssen zu Gedenkstättenarbeit und auch des Zugangs zu wichtigen Zuschüssen, die unsere Arbeit finanziell absichern. Auf der diesjährigen Jahrestagung der LAGG, wurde nun Gertrud Graf aus Mochenwangen, Mitglied des Studentenwerks Weiße Rose und langjährige Expertin für Gedenkstättenarbeit, zu einer der acht Sprecher der LAGG gewählt, in der sie nun auf höchster Ebene in Baden-Württemberg das Denkstättenkuratorium vertritt und damit die Beziehung zur Gedenkstättenarbeit auf Landesebene hält. In dieser Funktion nahm Frau Graf am Gespräch des Sprecherrats der LAGG mit den Vertretern der Fraktionen im Landtag am 17. Juli 2018 teil. Aus den dort von den Fraktionsvertretern und dem Leiter des Hauses der Geschichte BW, Herrn Schnabel, vorgebrachten Anregungen an die Gedenkstätten und Verbünde leitet sie als Stärken des Denkstättenkuratoriums NS Dokumentation Oberschwaben ab: die internationale Zusammenarbeit mit Vorarlberg , die Gesamtbroschüre, die  intensive Beschäftigung mit dem Thema Zwangsarbeit und „Euthanasie“, die intensive Zusammenarbeit mit Hochschule und Schulen, das landesweite Projekt „Galerie der Aufrechten“. Als wünschenswert führt sie an: den Bekanntheitsgrad des Denkstättenkuratoriums in Stuttgart zu erhöhe, die Aufnahme des Denkstättenkuratoriums in die Liste der Gedenkstättenverbünde in BW, die Vorstellung der einzelnen Denkorte Meldung von Veranstaltungen an das Gedenkstättenreferat, damit diese Veranstaltungen landesweit im Internet beworben werden können, Veröffentlichung von Recherchen auf der Homepage des DSK (Anlagen 5 und 6).

Wir hoffen, dass wir Ihnen in diesen Mitteilungen einige interessante Informationen und motivierende Anregungen für die eigene Arbeit geben konnten, und freuen uns immer über Rückmeldungen, Informationen, Ideen und Anregungen von Ihrer Seite.

 

In diesem Sinne grüßen Sie alle ganz herzlich

 

Ihre

 

Uwe Hertrampf                                   Gerd Gerber

(für das Denkstättensekretariat)              (Vorsitzender Studentenwerk Weiße Rose e.V.)

 

Anhang

 

1.    Artikel zur Exkursion in den Goldbacher Stollen

2.    Artikel zum Vortrag von Miriam Gebhardt

3.    Artikel zum Vortrag von Angela Borgstedt

4.    Artikel zum Planspiel an der Realschule Weingarten

5.    Bericht über Gedenkstätten in Baden-Württemberg

6.    Bericht über das Abgeordnetengespräch des Sprecherrates der LAGG

7.    Einladung zum Vortrag am 27.09.2018 in Friedrichshafen

8.    Einladung zum Vortrag vm 28.09.2018 in Weingarten

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