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Euthanasie am "Tatort"

Bad Schussenried

Zwischen 1934 und 1939 wurden in Schussenried im Zuge des in Kraft getretenen „Gesetzes zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“ etwa 150 Kranke zwangssterilisiert. Im Jahr 1940 wurde auch die Heilanstalt Schussenried in die zentral von Berlin aus gesteuerte „Aktion T 4“ einbezogen. Am 7. Juni erfolgte von hier der erste Abtransport von 74 Patienten nach Grafeneck. Bis zum 1. November 1940 folgten acht weitere Fahrten auf die Schwäbische Alb, wo insgesamt mehr als 600 Patienten und Patientinnen aus der Schussenrieder Anstalt in der dort eigens errichteten Gaskammer meist noch am Tag der Ankunft ermordet wurden. Im weiteren Kriegsverlauf wurden einzelne Patienten nach Hadamar und in das Konzentrationslager Mauthausen deportiert. Im September 1944 wurde Schussenried durch Erlass des Reichsministers des Inneren zu einer „Sammelstelle für geisteskranke Ostarbeiter und Polen“ bestimmt. Infolgedessen wurden etwa einhundert psychisch kranke Zwangsarbeiter aufgenommen, die aus der Sowjetunion und Polen stammten. Ein großer Teil von ihnen konnte nach Kriegsende in ihre Heimat entlassen werden. Nach 1945 kam es wie anderswo auch in Schussenried zur kollektiven Verdrängung der Ereignisse in der Zeit des „Dritten Reichs“. Erst 1983 wurde auf Initiative des evangelischen Pfarrers Wiedmann eine kleine Gedenktafel am Kreuz des Patiententeils des städtischen Friedhofs angebracht. Am 22. November 1992 wurde im Innenhof des Neuen Klosters das „Denkmal für die Opfer der ‚Euthanasie‘“ eingeweiht. Die Künstlerin Verena Kraft gestaltete die Gedenkstätte als ein offenes Haus ohne Dach und Wände, das damit an die schutzlose Situation der Patienten und Patientinnen erinnern soll. Dort wird seitdem jährlich und gemeinsam mit der Stadt Bad Schussenried am Volkstrauertag der mehr als 600 Opfer der „Euthanasie“ gedacht sowie der 300 Männer aus Bad Schussenried, die aus dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr zurückkehrten.

Text: R. Metzger/B. Reichelt

 

Literatur: May, Johannes: Die Staatliche Heilanstalt Schussenried in den Jahren 1933-1945, in: Pretsch, Hermann J. (Hg.): Euthanasie. VZwiefalten 1996, S. 75-83. Psychiatrisches Landeskrankenhaus Bad Schussenried (Hg.): Denkmal für die Opfer der „Euthanasie“. Das offene Haus. Eigenverlag : Bad Schussenried 1992.

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