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Das Grab der Agnes von Haeften

Standort Herdwangen-Schönach

Das von Auflassung bedrohte Grab der Agnes von Haeften konnte durch eine beispielhafte erinnerungspolitische Initiative der Reservistenkameradschaft Oberer Linzgau der Bundeswehr gerettet werden. Das ermöglichte seinen Ausbau zum gesicherten Familiengrab in Zusammenarbeit von Familie, Gemeinde, Landkreis und Kuratorium.

„Geben Sie alle säkularisierbaren Vorfelder frei, aber widerstehen Sie auf dem eigentlichen, dem geistlichen Kampffeld ohne Rücksicht auf Trümmer. (…) Legen Sie unbekümmert um den prasselnden Schutt den Grundstein zu dem künftigen Neubau – es wird ein lächerlich kleiner Stein sein, aber der erste Anfang eines Domes!“ Diese Zeilen Hans-Bernd von Haeftens in einem Brief von 1940 weisen sinnübertragend auf einen ganz besonderen Ort im Reigen der oberschwäbischen Denk-Orte hin: auf das Grab seiner Mutter Agnes von Haeften auf dem stillen Friedhof von Großschönach.

Agnes von Haeften wurde 1869 als Tochter von General Bernhard von Brauchitsch und Charlotte von Gordon geboren. Ihr Bruder war Walther von Brauchitsch, Generalfeldmarschall und Oberbefehlshaber des Heeres zwischen 1939 und 1941. 1903 heiratete sie den späteren Generalmajor Hans von Haeften, den Gründer des Bild- und Filmamtes (Bufa), aus dem 1918 die UFA hervorging, und nachmaligen Präsidenten des Reichsarchivs (bis 1934). Als Verbindungsoffizier zwischen der Obersten Heeresleitung und Reichskanzler Max von Baden vermittelte er kurz vor Ende des Ersten Weltkriegs den Freund und späteren Gründer der Salemer Reformschule Kurt Hahn in den Beraterkreis des Reichskanzlers.

Der protestantische Glaube bildete ein wichtiges Fundament der Familie von Haeften. In den harten Zeiten von Kriegsende, staatlichem Zusammenbruch und Neuanfang wuchsen Tochter Elisabeth und die beiden Söhne Hans-Bernd und Werner zu politisch wachen und – insbesondere durch die Erziehung der Mutter – fest im Glauben ruhenden Persönlichkeiten heran. Elisabeth und Hans-Bernd von Haeften wurden 1921 gemeinsam mit Dietrich Bonhoeffer in Berlin-Grunewald konfirmiert, Hans-Bernd und Werner gehörten später zur Bekennenden Gemeinde Martin Niemöllers.

Hans-Bernd von Haeften, 1905 geboren, schlug nach dem Jurastudium eine diplomatische Laufbahn ein, die ihn bis ins Auswärtige Amt in Berlin führte. Er heiratete 1930 Barbara Curtius, eine Tochter des damaligen Außenministers Julius Curtius. Nach seiner Verhaftung im Zuge des 20. Juli 1944 wurde ihm vor dem Volksgerichtshof das Verfahren gemacht. Unvergessen seine mutige Benennung Adolf Hitlers als „Vollstrecker des Bösen“. Wegen seiner Beteiligung am Staatsstreich wurde er zum Tode verurteilt und am 15. August 1944 in Berlin-Plötzensee hingerichtet.

Der 1908 geborene Werner von Haeften, ebenfalls Jurist, war im 2. Weltkrieg Oberleutnant in einem Infanterieregiment. Im Winter 1942 vor Leningrad schwer verwundet wurde er Adjutant Oberst Claus Schenk Graf von Stauffenbergs im Generalstab des Befehlshabers des Ersatzheeres. Hier war er maßgeblich an der Planung und Ausführung der „Operation Walküre“ vom 20. Juli 1944 beteiligt. Nach deren Scheitern wurde er noch in der Nacht zum 21. Juli 1944 zusammen mit Stauffenberg, General Ludwig Beck, General Friedrich Olbricht und Oberst Albrecht Mertz von Quirnheim im Hof des Bendlerblockes standrechtlich erschossen.

Die leidgeprüfte Mutter Agnes von Haeften wurde mit ihrer Tochter Elisabeth, seit 1929 mit dem Mediziner Hans Harmsen verheiratet, sowie der Schwiegertochter Barbara in Sippenhaft in Berlin-Moabit genommen. Nach Kriegsende veranlasste Kurt Hahn ihre Übersiedlung an den Bodensee. Auf dem Hermannsberg, damals im Besitz der Schule Salem, starb sie am 5. Dezember 1945 und wurde auf dem Schönacher Friedhof beerdigt.

Die Grabstelle in Herdwangen-Schönach nimmt einen außerordentlichen Platz in der oberschwäbischen Gedenklandschaft ein. Da die Asche der Brüder von Haeften nach ihrer Ermordung in alle Winde zerstreut wurde, ist das Grab der Mutter ein wichtiger Erinnerungs- und Gedenkort für die beiden Männer des 20. Juli.

Text: Rieke C. Harmsen und Frieder Kammerer

 

Literatur: Barbara von Haeften: Aus unserem Leben 1944 – 1950, im Eigenverlag, Tutzing, 4. Aufl. 1989. Barbara von Haeften: „Nichts Schriftliches von Politik“ – Hans Bernd von Haeften. Ein Lebensbericht, Verlag C.H. Beck, München 1997. Kurzbiografien zu Werner und Hans-Bernd von Haeften in: Harald Schultze, Andrea Kurschat (Hrsg.): „Ihr Ende schaut an …“ Evangelische Märtyrer des 20. Jahrhunderts, Evangelische Verlags-Anstalt, Leipzig 2008.

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